Rohmilch-Hype: Wie (un)gesund ist der TikTok-Trend wirklich?

Gefährlicher TikTok-Trend Raw milk
Rohmilch-Hype: Wie (un)gesund ist der Trend wirklich?

Veröffentlicht am 17.01.2025
junge Frau kippt frische Milch in ein Glas
Foto: New Africa / shutterstock.com

Man könnte fast meinen, dass in den sozialen Medien zurzeit speziell solche Trends die Runde machen, die exakt dem widersprechen, was wir bezüglich Gesundheit und Achtsamkeit bisher gelernt haben. Neben den Impfskeptikern sind die Vertreter:innen der carnivoren Diät ein gutes Beispiel dafür, die sich ausschließlich von tierischen Lebensmitteln ernähren, oder noch viel krasser: Diejenigen, die ständig rohes Fleisch verzehren.

Jetzt gibt es ein angebliches neues "Superfood", das auf TikTok & Co. trendet: Rohmilch. Vertreter:innen des Trends meinen, Rohmilch fördere die Gesundheit, da sie angeblich nährstoffreicher sei, entzündungshemmend wirke und die Verdauung verbessern - um nur ein paar der vermeintlichen Vorteile zu nennen. Du fragst dich, was da dran ist? Nun, nicht viel. Hier erfährst du, was hinter dem Trend steckt und warum Expert:innen dir davon abraten würden, Rohmilch zu verzehren.

Was genau versteht man unter Rohmilch?

Rohmilch ist Milch, die ohne jegliche Wärmebehandlung direkt nach dem Melken konsumiert wird. Im Gegensatz dazu wird handelsübliche Milch meist pasteurisiert – das bedeutet, sie wird für 15 bis 30 Sekunden auf etwa 75 Grad Celsius erhitzt. Dieser Prozess sorgt dafür, dass mögliche Krankheitserreger abgetötet werden und die Milch länger haltbar ist.

Im Inneren des Tieres ist die Milch nämlich noch steril, aber während des Melkens kann sie mit Bakterien von der Haut und dem Euter der Kuh, Fäkalien oder den verwendeten Melkgeräten verunreinigt werden. Rohmilch ist daher überwiegend direkt auf Bauernhöfen erhältlich, da Milchprodukte aus dem Supermarkt eigentlich immer wärmebehandelt sind.

Warum ist Rohmilch ein Social-Media-Trend?

Wie bereits genannt, versprechen sich Rohmilch-Fans von dem Trend eine lange Liste an verschiedenen Vorteilen: Es wird insbesondere die Wärmebehandlung als Argument dafür genannt, warum Rohmilch angeblich gesünder sein soll als pasteurisierte Milch. Die Behauptung: Beim Pasteurisieren würden wichtige Nährstoffe verloren gehen und Rohmilch enthalte somit mehr wertvolle Nährstoffe, wie beispielsweise die Vitamine B12, A, C oder D, oder Mineralstoffe wie Calcium.

Das ist jedoch so nicht ganz richtig, das bestätigt auch die FDA, also die Lebensmittelüberwachungs- und Arzneimittelbehörde der USA. Laut FDA hat die Pasteurisierung keinen wesentlichen Einfluss auf den Nährstoffgehalt der Milch. Während einige Nährstoffe wie Vitamin C durch den Erhitzungsprozess leicht reduziert werden können, bleiben die meisten wichtigen Vitamine und Mineralstoffe, darunter Calcium, Proteine und B-Vitamine, weitgehend erhalten.

Ein weiterer Vorteil von Rohmilch, den sich Fans des Trends versprechen, ist, dass diese aufgrund von enthaltenen probiotischen Bakterien die Darmgesundheit verbessern soll, aber auch das lässt sich, wie die FDA aufführt, widerlegen: In Rohmilch sind die für die menschliche Gesundheit wichtigen Probiotika wie Bifidobakterien und Lactobazillen nämlich nur in sehr geringen Mengen vorhanden. Befinden sich viele Bifidobakterien in Milch, weist das sogar eher auf eine mögliche Fäkalienkontamination und mangelnde Hygiene hin.

Dass Rohmilch die Immungesundheit verbessern würde, lässt sich ebenfalls nicht durch Studien belegen. Es stimmt zwar, dass Rohmilch einen höheren Gehalt an Omega-3-Fettsäuren hat als herkömmliche Milch, und Studien zeigen ebenfalls, dass Rohmilch helfen kann, Allergien vorzubeugen, dennoch betont die FDA, dass die gesundheitlichen Vorteile der Pasteurisierung – nämlich das Abtöten gefährlicher Bakterien – den minimalen Verlust an wertvollen Inhalten wie Omega-3-Fettsäuren oder Vitamin C bei weitem überwiegen.

Rohmilch: Diese Gefahren birgt der Trend

Tatsächlich ist der Rohmilch-Trend nicht ganz ungefährlich: Wie auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) warnt, kann Rohmilch mit krankmachenden Bakterien wie zum Beispiel Salmonellen, Campylobacter oder enterohämorrhagischen Escherichia coli (EHEC) kontaminiert sein. Diese können zu schweren Infektionskrankheiten führen. Wer sich also nicht dem Risiko aussetzen möchte, an einer akuten Darmentzündung oder Nierenproblemen zu erkranken, sollte Rohmilch lieber meiden.

Auch durch Studien lässt sich das Risiko belegen: Eine Studie, die vor einigen Jahren im Auftrag des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) durchgeführt wurde, zeigte, dass in bis zu 5 Prozent von etwa 360 untersuchten Rohmilchproben potenziell gefährliche Keime vorhanden waren. Außerdem enthielt etwa jede zehnte Probe multiresistente Bakterien.

Der Gipfel des Risiko-Hypes: Sogar Schwangeren wird auf Social Media dazu geraten, Rohmilch zu verzehren. Besonders in der Schwangerschaft sollte man dies jedoch tunlichst bleiben lassen, da sich in Rohmilch auch Listerien befinden könnten, also Bakterien, die zu Früh- oder Totgeburten führen und das Kind im Mutterleib schädigen können.

In Deutschland ist der Verkauf von Rohmilch an Verbraucher aufgrund der gesundheitlichen Risiken stark eingeschränkt. Sie darf nur unter strenger Einhaltung von Hygiene- und Kennzeichnungsregeln verkauft werden, das geschieht meist nur direkt auf dem Hof des Milchbauern. Die Rohmilch muss ständig bei höchstens 8 Grad Celsius aufbewahrt werden, darf kein Haltbarkeitsdatum von länger als 4 Tagen tragen und muss mit einem entsprechenden Hinweis versehen sein, sie wird in der Regel als "Vorzugsmilch" bezeichnet.

Während wir immer dazu raten, proaktiv mit der eigenen Ernährung umzugehen und viele unverarbeitete Lebensmittel zu essen, ziehen wir die Grenze bei potenziell mit Bakterien belasteter Rohmilch sehr streng. Es gibt deutlich bessere Wege, die Gesundheit zu fördern – egal, was TikTok behauptet.