Einsamkeit überwinden: So findest du neue Freunde

Einsamkeit überwinden
So wichtig ist Freundschaft​ für die Gesundheit - und so findest du neue Freunde

Veröffentlicht am 20.08.2024
So wichtig ist Freundschaft​ für die Gesundheit - und so findest du neue Freunde
Foto: nd3000 / Shutterstock.com

Vielleicht gab es noch nie eine Zeit, die so prädestiniert war wie die heutige, um sich einsam zu fühlen. Während wir immer schneller unsere Jobs, Wohnorte und Partner wechseln, vergessen wir, dass gute Dinge Zeit brauchen, um zu wachsen. Tiefe und verlässliche Freundschaften zum Beispiel.

Denn so verlockend Individualismus und der Reiz des Neuen auch sein mögen – am Ende zählt das Beständige: Menschen, denen wir vertrauen, denen wir unser Herz ausschütten können und die uns genauso lieben, wie wir sind. Warum diese Beziehungen so wichtig sind und was dabei hilft sie aufzubauen, liest du hier.

Warum ist Freundschaft so wichtig und Einsamkeit so gefährlich?

In Afrika gibt es ein Sprichwort, das besagt: "Allein essen ist wie allein sterben." So theatralisch das auch klingen mag – ein Körnchen Wahrheit liegt doch darin. Einsamkeit gehört inzwischen zu den drängendsten Problemen unserer Zeit, und Wissenschaftler warnen vor den seelischen und körperlichen Folgen von Einsamkeit, über die nicht mehr nur ältere Menschen klagen, sondern immer häufiger auch junge Erwachsene. Fakt ist: Viele unter uns fühlen sich nicht nur einsam, sie sind es auch – mit immensen Folgen für Körper und Seele.

Studien haben gezeigt, dass Menschen, die über einen längeren Zeitraum isoliert leben, signifikant häufiger an Depressionen, Schizophrenie, Alzheimer oder Demenz erkranken. Einsamkeit lässt uns schlechter schlafen und langsamer regenerieren. Sie verstärkt Herz-Kreislauf-Probleme und lässt den Körper permanent Stresshormone ausschütten. Mediziner sind sich inzwischen sicher, dass einsame Menschen ein um bis zu 50 Prozent höheres Risiko haben, früher zu sterben als diejenigen mit einem funktionierenden Freundeskreis.

Anders ausgedrückt: Ein liebevolles Miteinander ist so etwas wie ein Grundnahrungsmittel für uns Menschen. Ohne den Austausch mit anderen und das Gefühl, dazuzugehören, angenommen, verstanden und gestützt zu sein, fallen wir ins Bodenlose. "Einsamkeit wirkt wie ein Magnet, der weitere negative Gefühle und Gedanken anzieht", schreibt Silke Weinig in ihrem Buch "Einsamkeit überwinden – Freunde finden" (Humboldt, um 20 Euro). "Sich hin und wieder einsam und von aller Welt verlassen zu fühlen ist normal", sagt sie. Schließlich erlebe jeder von uns in seinem Leben regelmäßig vorübergehende Phasen von Einsamkeit.

Verlässliche Freundschaften werden immer seltener

Woher aber wissen wir, ob wir wirklich einsam sind oder bloß allein? "Man empfindet sich als nicht zugehörig und hat das Gefühl, niemanden wirklich zu kennen. Man kann sich niemandem anvertrauen und hat niemanden, dem man besonders nahesteht", erklärt die Autorin. Beziehungen zu anderen erlebe man zudem als eher oberflächlich. Beispielsweise, weil man sich unfähig fühle, sich auf einer tieferen, intimeren Ebene mit anderen zu verbinden. Hinzu kämen oft Gefühle von Unzulänglichkeit und ein niedriges Selbstwertgefühl bis hin zu Selbsthass. Während bewusst und freiwillig allein verbrachte Zeit für viele eine Art Kraftquelle sei, sei Einsamkeit ein durch und durch bedrückender Zustand.

In einer Gesellschaft, in der man diejenigen, die noch bei den Eltern wohnen, mitleidig belächelt und in der nicht wenige bereit sind, für vermeintliche Traumjobs um die halbe Welt zu reisen, werden gute und verlässliche Freundschaften immer seltener. Nur 66 Prozent der Deutschen haben einen "besten Freund". Im Schnitt werden hierzulande 3,7 enge Freunde genannt und 11 Personen zum erweiterten Freundeskreis gezählt.

Die Erosion der Beziehungen schreitet voran: Wir lassen uns häufiger scheiden, beenden schneller Partnerschaften und wechseln alle paar Jahre Job und Wohnung. Vielleicht, weil wir uns einreden, dass alles andere Stillstand bedeuten würde und wir uns bloß nicht selbst limitieren oder festlegen sollten. "In einer individualistischen Gesellschaft richten wir vermehrt den Blick auf uns selbst und interagieren weniger mit anderen. Unseren Selbstwert beziehen wir nicht mehr durch unsere Rolle in der Gesellschaft, sondern durch unsere individuelle Leistung", heißt es bei Weinig. Was dabei unweigerlich auf der Strecke bleibt, sind tiefe Verbindungen, die wachsen können, weil man gewillt ist, ihnen Zeit einzuräumen. Denn genau das ist es, was eine gute Freundschaft braucht: Zeit. Erst dann ist es möglich, dieses wunderbar warme Gefühl zu erleben, das einem nur eine tiefe, unerschütterliche Freundschaft geben kann und nach dem sich jeder von uns sehnt.

Bei Freundschaften zählt Qualität vor Quantität

Vielleicht ist auch das einer der Gründe, warum wir uns so gern von Serien wie "Friends" oder "Sex and the City" berieseln lassen: weil es einfach guttut, sich – und sei es auch nur gedanklich – in einer Welt zu bewegen, in der gute Freunde zusammen lachen und weinen, in gemütlichen Cafés und schicken Restaurants sitzen, gemeinsam essen und verreisen, über ihre Beziehungen und Sorgen plaudern und sich gegenseitig trösten, wenn es mal nicht so rundläuft. Und dabei nicht ständig aufs Handy schauen, weil ihnen die Zeit im Nacken sitzt.

Dass uns ein ausufernder Bekanntenkreis dennoch nicht vor der Einsamkeit schützt, wissen wir spätestens, wenn wir einmal erfahren haben, wie einsam man sich unter Menschen fühlt, mit denen man nicht auf einer Wellenlänge ist. "Teil einer Paarbeziehung oder Clique zu sein, bedeutet nicht zwangsläufig, dass man sich zugehörig und gut aufgehoben fühlt", schreibt Weinig. Schließlich sei nichts energieraubender, als Zeit mit Menschen zu verbringen, die nicht zu einem passen und in deren Gegenwart wir uns verbiegen müssen. Ihr Rat: den Mut haben, auszusortieren und Qualität vor Quantität zu setzen. Die gute Nachricht: Wer Einsamkeit erlebt, ist ihr glücklicherweise nicht hilflos ausgeliefert. "Jeder hat das Potenzial, die richtigen Freunde zu finden", schreibt sie.

Frag dich: Wärst du gern mit dir selbst befreundet?

Ein wichtiger Schritt aus der Einsamkeit heraus ist für Silke Weinig, die eigenen Bindungsmuster zu erkennen und zu lernen, dass wir okay sind, so wie wir sind. Viele einsame Menschen leiden unter der Angst, nicht interessant oder liebenswert zu sein. Ein Teufelskreis. Denn wer denkt, dass er bei anderen ohnehin nicht gut ankommt, verkriecht sich nur noch mehr im Schneckenhaus. Der Schlüssel zur Lösung des Problems: "Wenn man sich wünscht, dass andere einen sympathisch finden, dann muss man zunächst lernen, sich selbst zu mögen", sagt Silke Weinig.

Aber auch der kritische Blick auf dich selbst ist wichtig. Lust auf einen schnellen Selbst-Test? Dazu solltest du dir folgende Fragen stellen:

  • Wäre ich gern mit mir selbst befreundet?
  • Begegne ich anderen mit derselben Offenheit, die ich auch mir gegenüber wünsche?
  • Kann ich gut zuhören, und habe ich echtes Interesse am anderen, oder nutze ich die Redezeit meines Gegenübers dafür, um schon einmal eine Antwort im Kopf zu formulieren?
  • Lasse ich mich von Äußerlichkeiten leiten, oder gebe ich auch denjenigen eine Chance, mich näher kennenzulernen, die so ganz anders scheinen als ich selbst?
  • Kann ich mich über den Erfolg anderer freuen, oder kriecht sofort der Neid in meinen Gedanken hoch?
  • Bin ich willens, andere an meinem Innenleben teilhaben zu lassen, oder fällt es mir schwer, die (perfekte) Maske abzulegen?
  • Kann ich auch mal 5 gerade sein lassen, oder lege ich jedes Wort auf die Goldwaage?
  • Kurz: Bin ich selbst ein sympathischer, respektvoller und empathischer Mensch, mit dem sich andere gern umgeben?

Freunde finden heißt, sich selbst finden

Zugegeben, niemand besteht ausschließlich aus guten Eigenschaften, und nein, man muss auch nicht jedem gefallen. "Das ist nicht das Ziel!", sagt Silke Weinig. "Wichtig ist, dass unser Gesprächspartner spürt, dass er bei uns willkommen ist und er selbst sein darf. Im Gegenzug werden auch wir mit all unseren Facetten und Kanten akzeptiert und geschätzt."

Freunde finden heißt, sich selbst finden. Denn nur, wenn wir wissen, wer wir sind und wo unsere eigenen Fehler liegen, sind wir in der Lage, auf Gleichgesinnte zu treffen und anderen wohlwollend zu begegnen. "Sobald wir wissen, was uns wichtig ist, fällt es uns leichter, Prioritäten und Grenzen zu setzen", sagt Silke Weinig. Sprich: Womit wollen wir unsere Zeit verbringen? Was macht uns glücklich? Was erleben wir als sinnstiftend? Antworten auf Fragen wie diese helfen uns dabei, gezielt nach Menschen Ausschau zu halten, die die gleichen Werte teilen wie wir. Denn die passen nun einmal am besten zu uns.

Freundschaft ist das beste Heilmittel gegen die immer weiter um sich greifende Einsamkeit. Denn gemeinsam sind schöne Momente noch schöner und schmerzhafte besser zu ertragen. Gute Freunde zu finden ist nicht einfach, mit unseren Tipps fällt es dir aber leichter, dafür die Grundbedingungen zu schaffen.