Es ist keine gute Zeit für Menschen mit Ängsten. Statt mit Freunden unterwegs zu sein, verbringst du seit Wochen die meiste Zeit allein zuhause und informierst dich eng getaktet über die Neuigkeiten zur Pandemie. Wenn du an deine Eltern und Großeltern denkst, gerätst du in Sorge, und auch dein Arbeitsplatz ist nicht mehr sicher.
Und plötzlich, von einem Moment auf den anderen, rast dein Herz, du zitterst unkontrolliert, hyperventilierst und kriegst kaum noch Luft. Blanke Panik ist das einzige, was du noch wahrnimmst. Du fragst dich: Was passiert hier mit mir? Sterbe ich jetzt?
Nein, das tust du nicht. Du hast "nur" eine Panikattacke! Und damit bist du, gerade momentan in der Corona-Krise, nicht allein. "Seit Beginn der Corona-Pandemie erlebe ich mehr Patienten mit irrationalen, katastrophisierenden Gedanken", bestätigt Psychotherapeut Jan Ahrens aus Essen. Mit ihm versuchen wir hier, so gut es geht bei der Angstbewältigung zu helfen.
Was genau ist eine Panikattacke?
Letztlich ist die Panikattacke eine körperliche Reaktion auf eine bestehende oder auch imaginierte Bedrohungslage. "Die meisten Menschen bekommen mindestens einmal in ihrem Leben eine Panikattacke", sagt der Psychotherapeut. Die gute Nachricht: Sie fühlt sich lebensbedrohlich an, ist sie aber nicht.
Panikreaktionen stecken quasi in deinen Genen. Angst bereitet den menschlichen Körper seit Urzeiten in Alarmsituationen blitzschnell darauf vor, vor einer Gefahr, zum Beispiel einem Raubtier, zu fliehen oder es zu bekämpfen. Dafür stellt der Körper das Stresshormon Adrenalin bereit, verengt die Blutgefäße und lässt Blutdruck und Muskelspannung steigen.
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Wie lange dauert eine Panikattacke?
In der Regel hält eine Panikattacke nur wenige Minuten an, die Betroffenen aber wie eine halbe Ewigkeit vorkommen können. Sicher ist: Eine Panikattacke ist nicht von Dauer und hört auch wieder auf.
Problematisch wird es, wenn sich danach eine Angst vor der Angst entwickelt, so dass du dich in vorauseilender Furcht nicht mehr aus dem Haus traust. Oder du meidest Autos, weil du einmal einen Anfall in einem Auto hatten. Das ist ein Teufelskreis, dem du nur schwer entkommen kannst. In diesem Fall solltest du dir psychologische Hilfe suchen.
Panikattacken können Betroffene überall ereilen, so dass bald die Angst vor der Angst das größte Problem wird.
Was sind die Symptome einer Panikattacke?
Da dein Körper meint, dass er sich in einer lebensgefährlichen Situation befindet, kommt es zu einer Schockreaktion, und es werden nur noch die Hauptorgane, also Lunge, Gehirn und das Herz, mit Blut versorgt.
In der Folge können diese Symptome plötzlich und ohne Vorwarnung auftreten:
- Herzrasen
- Starkes Zittern
- Kurzatmigkeit
- Schwindel
- Schweißausbruch
- Todesangst
- bleiche und kalte Haut
Warum bekomme ich Panikattacken?
Klar ist, heute lösen in der Regel keine wilden Tiere deinen Fluchtinstinkt aus. "Oft ist es gar nicht die Situation selbst, die Angst macht, sondern die Gedanken, die man dabei hat", erklärt Ahrens. Erleidest du zum Beispiel als Passagierin im Flugzeug eine Panikattacke, wird diese nicht durch das Fliegen selbst ausgelöst, sondern vielmehr von einem Gefühl der Machtlosigkeit in schwindelerregender Höhe.
"Oft sind Menschen betroffen, die sich in bestimmten Situationen nicht stark genug fühlen", sagt Ahrens, "Sie wollen sich unbewusst einer Aufgabe nicht stellen, fühlen sich vollkommen hilflos", sagt Ahrens. Ursache ist oft ein mangelndes Vertrauen in sich selbst. Menschen, die Panikattacken erleiden, können meist nur schwer mit Krisensituationen und Stress umgehen.
Was kann ich selbst bei einer Panikattacke tun? Tipps
Auch wenn du dich bei einer Panikattacke nie so fühlst, als ob du wirklich etwas unternehmen könntest, ist es wichtig, dir immer wieder bewusst zu machen, dass es tatsächlich Möglichkeiten gibt, sie besser zu überstehen. Hier sind die 6 wichtigsten Tipps:
- Richtig einordnen: Das Wichtigste ist, sich darüber klar zu werden, dass du nicht wirklich in Gefahr bist. Auch wenn dein Herz rast, geht es nicht um dein Leben.
- Bewusst machen: Rufe dir ins Gedächtnis, dass es sich um eine Panikattacke handelt, dass nur deine eigenen Gedanken und Ängste diese körperlichen Symptome hervorrufen.
- Auf die Uhr sehen: Es hilft auch, sich zu vergegenwärtigen, dass eine Panikattacke nicht ewig dauert, sondern meist nach 10 Minuten ihren Höhepunkt überschritten hat.
- Irgendwie ablenken: Versuche, die Situation, in der die Panik ihren Anfang nahm, für den Moment zu verlassen und dir einen Ort der Ruhe zu suchen. Ist das, wie etwa im Flugzeug, nicht möglich, lenke dich auf andere Weise ab.
- Anders atmen: Ein sehr wichtiges Hilfsmittel ist die Atmung. Durch langsames Ein- und Ausatmen in den Unterbauch wird die Atmung besser reguliert, und der Herzschlag normalisiert sich. Auch kann es hilfreich sein, sich umzuschauen und Gegenstände in der Umgebung zu benennen, um sich abzulenken und den negativen Gedankengängen zu entkommen.
- Hilfe suchen: Es kann auch helfen, vertrauenswürdige Menschen in deiner Umgebung auf deine Lage anzusprechen und dir helfen zu lassen. Zum Glück ist das Phänomen einer Panikattacke heutzutage relativ bekannt, so dass du nicht fürchten musst, verständnislose Blicke zu ernten.
Resilienz: So meistest du Lebenskrisen besser
Wenn eine Person in deiner Umgebung eine Panikattacke erleidet, spende Trost und rede beruhigend mit ihr.
Wie geht man mit Panikattacken speziell in der Corona-Pandemie um?
Bei den Ängsten, die die Corona-Krise auslösen, handelt es sich nicht um imaginierte, sondern um reelle Ängste, das sollte man sich vergegenwärtige, rät Ahrens: "Es ist wichtig sich klar zu machen, dass nicht Schwäche oder eigene Schuld die Panik auslösen, sondern die erschütternden Umstände, die jeden momentan aus der Bahn werfen."
Hilfreich sei es, bei aufkommender Panik ein Mantra parat zu haben, etwa „Ich bin gerade in einer Pandemie, es ist okay, diese Symptome zu haben.“
Weitere Tipps von Psychotherapeut Jan Ahrens:
- Informiere dich nur ein bis 2-mal pro Tag über die neuesten Entwicklungen zur Corona-Pandemie anstatt dich mit Horrorbildern und -geschichten vollzuladen.
- Mach den Realitätscheck und vergegenwärtige dir, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass von den etwa 83 Millionen Deutschen ausgerechnet du oder deine Liebsten zu denen gehören werden, die sich anstecken.
- Tu dir Gutes, zum Beispiel indem du dir gesundes Essen zubereitest oder (Home-)Sport treibst.
- Lenke deinen Fokus auf das Positive, das die Pandemie mit sich bringt: Zum Beispiel, dass Menschen sich jetzt mehr gegenseitig helfen, dass es wieder Autokinos gibt oder du jetzt mehr Zeit zum Lesen hast.
- Akzeptiere, wie es dir geht.
Wie reagiere ich bei anderen, die eine Panikattacke haben?
Angenommen du sitzt wieder im Flugzeug, aber nun hat dein Sitznachbar plötzlich eine Panikattacke. Was tun? "Man sollte unbedingt versuchen, den Betroffenen zu beruhigen. Rede ihm gut zu und gib ihm ein Gefühl von Sicherheit und Vertrauen. Da helfen oft kleine Berührungen auf der Schulter oder das gemeinsame Durchführen von regelmäßigen Atemübungen, um den Betroffenen zu besänftigen", sagt Ahrens.
Wie kann ich einer Panikattacke vorbeugen?
Leidest du häufiger an Panikattacken, ist es erst einmal wichtig, mit Freunden und Familie darüber zu sprechen und es zu akzeptieren. Durch Verleugnung kannst du nicht verhindern, dass bestimmte Ängste zurückkehren.
Außerdem solltest du versuchen, dich deinen Ängsten zu stellen, sprich: Meide nicht die Situationen, die dir Angst machen, sondern gehe gezielt darauf zu, möglichst in einer kontrollierten Umgebung, um deine Furcht zu besiegen. Außerdem kann es helfen, den Stress im Alltag zu reduzieren, Yoga oder Entspannungsübungen zu erlernen, um sich für den Alltag besser gerüstet zu fühlen.
Psychologen können dir helfen, dich deinen Ängsten zu stellen.
So findest du mit Yoga deine innere Balance
Wann sollte ich wegen der Panikattacken zum Arzt gehen?
Falls deine Panikattacken häufiger und/oder in regelmäßigen Abständen auftreten, solltest du eine Arzt- bzw. Psychologensprechstunde aufsuchen. Bei ständig wiederkehrenden Attacken sprechen Experten von einer Panikstörung, die in jedem Fall behandlungsbedürftig ist. Besser ist es aber, sich schon früh in Behandlung zu begeben. Denn du willst nicht in den erwähnten Kreislauf aus Angst und Vermeidung geraten. Die Aussichten beim Profi sind gut: In mehr als drei Viertel aller Fälle gelingt eine Therapie.
Psycholog:innen können mit Therapien wie einer Hypnose, einer Konfrontationstherapie oder mit verhaltenstherapeutischen Verfahren versuchen, deine Panikattacken zu analysieren und mit einem individuellen Konzept die Ängste besiegen. "Sollte auch das nicht funktionieren, gibt es immer noch Möglichkeiten, die Angst medikamentös zu behandeln", so Ahrens.
Panikattacken sind eine ernste Sache. Wenn du merkst, dass plötzlich Angst in dir aufsteigt und du die Kontrolle verlierst, dann denk daran: An einer Panikattacke stirbst du nicht! Versuche dich mit Atemübungen und Entspannungstechniken zu beruhigen. Stell dich deinen Ängsten, wenn nötig mit professioneller Hilfe.