Wenn wir Trauben essen, landen die Kerne häufig einfach im Müll. Doch genau in diesen Kernen soll das Geheimnis für Gesundheit, Wohlbefinden und Schönheit stecken. Das ist zumindest das Versprechen der Anbieter von OPC.
Ob als Kapseln, Pulver, Tabletten oder Flüssigkeit – Traubenkernextrakt, auch als OPC bekannt, ist inzwischen in den unterschiedlichsten Formen in Drogerien und Apotheken erhältlich. Ebenso vielfältig sollen auch die positiven Effekte auf die Gesundheit sein. Aber wie viel Wahrheit steckt wirklich hinter diesen Versprechungen? Wir werfen einen genaueren Blick darauf.
Was ist OPC?
Kleiner Crash-Kurs in Chemie gefällig? Die Abkürzung OPC steht für Oligomere Proanthocyanide, das sind sekundäre Pflanzenstoffe. OPC gehört außerdem zu den Antioxidanzien, das bedeutet, dass es freie Radikale im Körper neutralisieren kann.
Freie Radikale? "Diese schädlichen Moleküle lösen einen sogenannten oxidativen Stress in Körperzellen aus und führen so zu vielen Krankheiten und zu Zellalterung", beschreibt Johanna Brenke, Ökotrophologin im medicum Hamburg, einem Zentrum für Ernährungsmedizin & Prävention. "OPC ist eins der stärksten Antioxidanzien gegen die Radikale", erklärt sie. Oder einfach gesagt: Freie Radikale machen Zellen kaputt, OPC macht freie Radikale kaputt.
OPC werden in verschiedenen Formen angeboten, zum Beispiel:
Wo kommt OPC vor?
Oft wird OPC einfach als Traubenkernextrakt bezeichnet – der Grund dafür ist, dass diese kleinen Samen eine ordentliche Ladung des besagten Pflanzenstoffs beherbergen, ungefähr 30 Milligramm auf 100 Gramm (wobei die Menge bei natürlichen Kernen variieren kann). Interessanterweise findet sich eine ähnliche Konzentration auch in purem Kakaopulver.
"Aber auch in der Haut von roten Trauben und Erdnüssen, in Kokosnüssen, Äpfeln, Cranberrys und Vollkornprodukten kommt OPC vor", so die Ernährungswissenschaftlerin. In geringeren Konzentrationen kommt es auch noch in anderem Obst und Gemüse vor, außerdem steckt es in Rotwein oder Ginkgoblättern. Zum Vergleich: In einer einzelnen Kapsel des Nahrungsergänzungsmittels stecken zwischen 140 und 400 Milligramm.
Wobei soll das Traubenkernextrakt helfen?
Freie Radikale, die unter anderem durch Umweltgifte, aber auch durch ganz normale Stoffwechselprozesse entstehen, können quasi im ganzen Körper Zellen beschädigen. "Das kann wiederum zu verschiedenen Krankheiten wie Bluthochdruck oder Alzheimer führen und lässt die Haut altern", erklärt Brenke. OPC soll laut Werbung gesund, jung und schön machen, indem es diesen freien Radikalen entgegenwirkt. Das soll die Gefäße elastischer machen (hilft gegen Bluthochdruck), das Gehirn mit genug Nährstoffen versorgen (vermeidet Alzheimer) und den Alterungsprozess der Haut verlangsamen (Anti-Aging-Effekt und Strahlehaut).
Aber nicht nur das: Weil bei entzündlichen Krankheiten wie Rheuma, Darmkrankheiten oder Hauterkrankungen wie Neurodermitis auch Radikale entstehen, soll OPC das Ausmaß solcher Probleme eindämmen können. "Außerdem kann es sein, dass die allgemein gesünderen Körperzellen auch resistenter gegen weitere Krankheiten sind", beschreibt die Ernährungsberaterin. Daher kommen auch Gerüchte über OPC, dass es sogar gegen Krebs und HIV helfen soll. "Allerdings bedeutet den Körper zu unterstützen nicht, eine Krankheit wie AIDS auch zu heilen", betont sie.
Was sagen Studien über OPC?
OPC soll also den Körper insgesamt gesünder und fitter machen, jedenfalls wenn du es auf natürliche Weise z.B. als Weintrauben zu dir nimmst, das haben frühe Studien beschrieben. Aber bewirkt mehr auch mehr? Wie viel davon ist auch wissenschaftlich belegt? "Insgesamt sind Antioxidanzien bisher nicht erschöpfend untersucht worden, vor allem fehlen explizite Studien über das sehr konzentrierte OPC als Nahrungsergänzungsmittel", so Brenke. So sieht die Studienlage derzeit aus:
- Im Reagenzglas konnten Zusammenhänge von Polyphenolen (der Oberkategorie von OPC) und einem geringeren Vorkommen von freien Radikalen festgestellt werden.
- In einigen Tierversuchen wurden einige positive Wirkungen von OPC beobachtet. Zum Beispiel wurde in Studien mit Mäusen nachgewiesen, dass OPC bei ihnen entzündungsfördernde Enzyme hemmen und so eine allergische Reaktion verhindern kann. Andere Tierversuche zeigten, dass OPC den Blutdruck senken, Dickdarmkrebszellen langsamer wachsen lassen und Alzheimer-Symptome verzögern konnten.
- Die meisten Vermutungen über die Wirkungen konnten aber noch nicht eindeutig belegt, langfristig getestet oder von Reagenzgläsern und Tieren auf den Menschen übertragen werden.
- Außerdem gibt es andere Studien, die darauf hindeuten, dass zu viele Antioxidanzien oder zu wenig freie Radikale dem Körper schaden und zum Beispiel einige Krebsarten begünstigen können.
- Es ist unklar, wie viel der Körper von dem isolierten und hoch konzentrierten OPC in Nahrungsergänzungsmitteln aufnehmen kann und was mit dem Rest genau passiert.
Daher gehen die Meinungen unter Experten auseinander, wenn es um die Einnahme isolierter Antioxidanzien geht. Einige sprechen sich dafür aus, sie lediglich in akuten Fällen zu nutzen, während andere sogar ausdrücklich davon abraten.
Welche Nebenwirkungen kann OPC haben?
So dünn die Studienlage zu den positiven Effekten von OPC, so dünn ist sie auch über die Nebenwirkungen. Besonders vorsichtig sollten aber einige Risikogruppen sein: "Schwangere und Stillende sollten ohnehin mit ihrer Ernährung aufpassen, ihnen rate ich deshalb von einer Einnahme von isoliertem OPC ab", so Brenke.
Krebspatienten sollten grundsätzlich vorsichtig sein mit Supplementierung: Einige Studien deuten darauf hin, dass Antioxidanzien die Metastasierung einiger Tumorarten, wie z.B. bei einem Melanom, begünstigen.
Falls du Blutdruckprobleme hast, wäre es klug, vorher medizinischen Rat zu den möglichen Wechselwirkungen einzuholen, denn OPC hat ja den Ruf, den Blutdruck zu senken. Generell sollten Menschen mit chronischen Krankheiten oder Stoffwechselstörungen ihre Ernährung nur unter fachkundiger Aufsicht optimieren und umstellen. Die Langzeitfolgen einer Überdosierung von Traubenkernextrakt oder spezifische Nebenwirkungen dieses Stoffes sind bis dato nicht vollständig erforscht.
Was sollte man bei der OPC-Einnahme beachten?
Obwohl bisher bis jetzt nicht so viel über die Wirkung von OPC bekannt ist, gibt es trotzdem einige Dinge, die helfen, eine sicherere Anwendung zu gewährleisten. Brenke beantwortet deshalb einige Fragen zur Einnahme:
- Wie viel Traubenkernextrakt am Tag ist sinnvoll? Falls du dich momentan nicht in einer Phase intensiver Belastung befindest, empfiehlt die Ernährungsexpertin eine tägliche Aufnahme von rund 1-2 Milligramm OPC pro Kilogramm Körpergewicht. Die Dosierung in den meisten Tabletten liegt oft weit darüber. Warum also Pillen? Bereits mit einem Apfel, einigen Nüssen und einem Stück Zartbitterschokolade lässt sich dein täglicher Bedarf recht einfach erfüllen.
- Welche Einnahmezeit? "Bei akuten Beschwerden, Stress oder einem Krankheitsschub kann man auch mal 400 Milligramm täglich zu sich nehmen", so Brenke. Nach dieser Zeit von meist einigen Tagen sollte man aber auch zügig wieder herunterschrauben und nicht einfach dauerhaft die Pillen schlucken.
- Wann soll OPC eingenommen werden? Auf nüchternen Magen verarbeitet der Körper die Nährstoffe oft effizienter, also nimmst du das Traubenkernextrakt am besten morgens vor dem Essen. Auf Milchprodukte solltest du danach noch eine Weile verzichten, weil diese die Aufnahme des Stoffes hemmen könnten.
- Welches OPC ist das beste? Ob du Traubenkernextrakt als Pulver, Kapsel oder sonst wie einnimmst, ist laut Brenke nicht so relevant. "Wichtiger ist, dass das Produkt von guter Qualität ist, um eventuelle Füll- oder Schadstoffe auszuschließen", warnt sie. Also, wenn schon Nahrungsergänzungsmittel, dann möglichst mit dem sechseckigen Bio-Siegel.
OPC allein ist nicht die Lösung
"Man darf nicht davon ausgehen, dass Nahrungsergänzungsmittel einen ungesunden Lebensstil ausgleichen", betont die Ernährungsberaterin. Für gesund, jung und schön musst du dich also weiterhin ausgewogen ernähren. Dann kommst du vermutlich auch ganz von allein auf deine Tagesdosis OPC, ohne mit Pillen nachhelfen zu müssen.
"Es ist im Normalfall immer ratsamer, OPC und andere Nährstoffe über die Ernährung aufzunehmen statt über Tabletten", rät Brenke. Auf diese Weise umgehst du das Risiko einer Überdosierung oder möglicher Nebenwirkungen und profitierst gleichzeitig von einem breiten Spektrum weiterer wertvoller Nährstoffe. Nahrungsergänzungsmittel sollten wirklich nur bei einem spezifischen Bedarf und nach Rücksprache mit einem Arzt oder einer Ärztin eingesetzt werden.
Unser Rat: Sei skeptisch gegenüber Produkten, die als Wundermittel oder Jungbrunnen angepriesen werden. Solche Versprechen sind oft zumindest zweifelhaft, und nichts kann einen gesunden Lebensstil ersetzen. OPC-Tabletten dürfen also nicht als Vorwand dienen, um zu wenig Obst und Gemüse zu essen, sich von Fast Food zu ernähren, zu rauchen oder körperliche Aktivität zu vernachlässigen!
Die häufigsten Fragen zu Traubenkernextrakt
Was ist OPC genau?
OPC steht für Oligomere Proanthocyanidine, hochwirksame sekundäre Pflanzenstoffe aus Traubenkernen. Sie gehören zu den Antioxidantien und helfen, freie Radikale im Körper zu neutralisieren – wichtige Verbündete für Gesundheit und Hautschutz.
Wo kommt OPC in der Natur vor?
Hauptsächlich in Traubenkernen, aber auch in der Haut roter Trauben, Erdnüssen, Kakaopulver, Cranberries, Äpfeln und sogar Rotwein. Eine natürliche Ernährung deckt bereits einen Teil des Bedarfs ab.
Welche Nebenwirkungen kann OPC haben?
- Schwangere, Stillende und Krebspatient:innen sollten vorsichtig sein.
- OPC könnte bei manchen Krebsarten Metastasierungen fördern.
- Menschen mit Blutdruckproblemen sollten ärztlichen Rat einholen.
Bislang gibt es keine umfassenden Langzeitstudien zur Sicherheit bei hoher Dosierung
Worauf sollte man bei der Einnahme von OPC achten?
- Empfohlene Dosis: Ca. 1–2 mg pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag bei normaler Belastung.
- Einnahmezeit: Ideal morgens auf nüchternen Magen; Abstand zu Milchprodukten halten.
- Produktwahl: Auf Qualitätssiegel achten, z.B. Bio-Zertifizierung, um Schadstoffe zu vermeiden.
Fazit: OPC ist kein Ersatz für gesunde Ernährung
OPC kann ein kleiner Baustein in deinem Gesundheitskonzept sein, ersetzt aber keine ausgewogene Ernährung und einen aktiven Lebensstil. Wer auf natürliche Lebensmittel setzt, profitiert ganz nebenbei von den positiven Effekten – ganz ohne Überdosierung oder Risiken.
Erwähnte Quellen:
Debasis Bagchi et al. (2000): Free radicals and grape seed proanthocyanidin extract: importance in human health and disease prevention. https://doi.org/10.1016/S0300-483X(00)00210-9
Protective Effects of Grape Seed Proanthocyanidins and Selected Antioxidants against TPA-Induced Hepatic and Brain Lipid Peroxidation and DNA Fragmentation, and Peritoneal Macrophage Activation in Mice. https://doi.org/10.1016/S0306-3623(97)00332-7
Piskounova E, Agathocleous M, Murphy MM, Hu Z, Huddlestun SE, Zhao Z, Leitch AM, Johnson TM, DeBerardinis RJ, Morrison SJ. Oxidative stress inhibits distant metastasis by human melanoma cells. Nature. 2015 Nov 12;527(7577):186-91. doi: 10.1038/nature15726. Epub 2015 Oct 14. PMID: 26466563; PMCID: PMC4644103.