Sport und Darm: Wie Bewegung dein Mikrobiom stärkt

Sport und Mikrobiom
Sport und Darmgesundheit: So verbessert Bewegung deine Verdauung

Veröffentlicht am 01.10.2024
Wer immer noch glaubt, dass Bodyweight Training ihn nicht genug fordert, testet diese Dip-Variante – Effekt auf hohem Niveau
Foto: Jacob Lund / Shutterstock.com

Videos, die eine Verbesserung der Darmgesundheit versprechen, gibt es zu Hunderten auf Tiktok und Co. Rezepte wie gedünstete Äpfel, Süßkartoffelsuppe und Olivenöl-Shots landen im algorithmischen Mixer von Social Media mit dem Versprechen, das Mikrobiom zu füttern – häufig ohne wissenschaftliche Grundlage.

Eine gemüsereiche Ernährung ist definitiv empfehlenswert, aber jenseits aller Küchentricks gibt es spannende wissenschaftliche Untersuchungen, bei denen Sport und Bewegung im Vordergrund stehen. Hier erläutern wir dir, wie Bewegung mehr Bewegung in deinen Darm bringt. Los geht’s, ihr schlaffen Bakterien!

Was hat Bewegung überhaupt mit dem Darm zu tun?

Das Thema Bewegung wird derzeit in Gastroenterologie-Forscherkreisen mit einer Art von Begeisterung diskutiert wie sonst nur Stuhlproben. Ein Workout kann zum einen dein Mikrobiom – also die Gesamtheit der Kleinstlebewesen im Darm – verbessern. Zum anderen funktioniert der Effekt auch in die umgekehrte Richtung. Ein gesünderer Darm motiviert dich zu mehr sportlicher Aktivität – also praktisch eine Aufwärtsspirale, bei der die gesunden Wirkungen sich gegenseitig verstärken.

"Wenn sie korrekt ausgeführt wird, verbessert Bewegung sowohl die Vielfalt als auch die Art der Bakterienstämme im Darm", sagt Dr. Stacy Sims, neuseeländische Sportphysiologin und Ernährungswissenschaftlerin aus Mount Maunganui, die sich auf körperliche Leistungsfähigkeit bei Frauen spezialisiert hat. "Wir wissen auch, dass eine größere Vielfalt mit einem dominanten Stamm von Bakterien namens Bacteroidetes verbunden ist, der für die Zunahme von Muskelmasse und die Reduzierung von Körperfett verantwortlich ist."

Der Zusammenhang zwischen Stress, Bewegung und Verdauung

Dass ein gut funktionierender Darm dabei helfen kann, die Ausschüttung des Stresshormons Cortisol zu regulieren, ist keine Neuigkeit. Es gibt Nahrungsmittel wie Kombucha, deren Verabreichung darauf abzielt, das Gehirn über den Darm zu stärken. Dieselben Nahrungsmittel können dich auch körperlich fitter machen.

"Gesunde Darmmikrobiota helfen, oxidativen und entzündlichen Stress zu modulieren", sagt Dr. Sims über den Mechanismus hinter der Verbindung von Geist und Darm. Das ist wichtig, denn die Kontrolle von Cortisol ist Voraussetzung für die physiologische Reaktion des Körpers auf Training. "Cortisol signalisiert den Blutgefäßen, sich zu verengen, was die Blutzufuhr zu den Muskeln reduziert und so zu einem Mangel an Sauerstoff und Nährstoffen führt", fügt Dr. Sims hinzu. "Wenn der Cortisolspiegel zu hoch ist, können die Muskeln sich aus diesem Grund nicht mehr selbst reparieren. Die Reparatur ist aber entscheidend, damit Muskeln wachsen können."

Wie das Mikrobiom dein Verhalten steuert

Das vielleicht überzeugendste Beweisstück für die Verbindung zwischen Darm und Muskulatur ist, dass das Mikrobiom deinen Wunsch beeinflussen kann, überhaupt aufzustehen und ein Workout zu machen. Eine von der University of Pennsylvania School of Medicine veröffentlichte Studie ergab, dass ein gesundes Mikrobiom bestimmte Stoffwechselprodukte produziert, die als Motivator wirken, indem sie sensorische Nerven im Darm stimulieren. Auf diese Weise steigern sie die Aktivität in jenem Teil des Gehirns, der für die Kontrolle des Antriebsvermögens verantwortlich ist. Darüber hinaus gibt es weitere Faktoren. Etwa 90 Prozent des körpereigenen Serotonins – ein Neurotransmitter, der eine wichtige Rolle bei der Motivation spielt – wird im Darm erzeugt. Ein gesunder Darm verstärkt so den Wunsch, Sport zu treiben.

Man kann es umgekehrt aber auch übertreiben. "Erschöpfendes oder lang anhaltendes Training kann tatsächlich eine negative Auswirkung auf das Mikrobiom des Darms haben", so Dr. Sims. "Die daraus resultierende Dysbiose – das bedeutet ein Ungleichgewicht der Darmflora – kann zu einer Beeinträchtigung des Immunsystems führen." Das bedeutet, der Darm wird weniger gut in der Lage sein, sich vor Krankheitserregern zu schützen.

Der Übeltäter? Unser alter Freund Cortisol. Der Anstieg des Cortisolspiegels, der durch Übertraining verursacht wird, kann zu einer Darmdurchlässigkeit führen. Dabei handelt es sich um ein Syndrom, das medizinisch noch nicht klar definiert ist. Die Vorstellung ist, dass Cortisol die Wände des Darms durchlässig macht für Giftstoffe, Krankheitserreger und unverdaute Nahrungsbestandteile; es entstehen gesundheitliche Probleme wie Blähungen und Durchfall.

Welche Bewegung ist gut für den Darm?

Wissenschaftler der University of Calgary fanden heraus, dass moderate Bewegung sowohl die Reichhaltigkeit als auch die Vielfalt des Darmmikrobioms bei Erwachsenen erhöht – unabhängig vom Körpergewicht. Gehen und entspanntes Radfahren zählen zu diesen Aktivitäten, aber auch Haushaltstätigkeiten oder Gartenarbeit.

Zu wissen, welche Übungen man machen soll, wie lange und wie oft, kann den Unterschied ausmachen zwischen einem Darm, der dich deinen Zielen näher bringt, und einem Darm, der dich auf die Toilette rennen lässt. Vor diesem Hintergrund haben wir einen Blick auf die aktuellen Forschungsergebnisse geworfen und die Unterstützung von Darmgesundheitsprofis in Anspruch genommen, um dir hier einen kurzen Leitfaden zu bieten, mit Hilfe welcher Bewegungsformen du dein Mikrobiom für dich arbeiten lassen kannst.

Ausdauertraining: Jogger ernten laufend Vorteile für den Darm

Was es bringt: Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass die Stuhlproben von Marathonläufern höhere Mengen an Bakterien der Gattung Veillonella enthalten als jene von Nichtläufern. Eine in der Fachzeitschrift Nature Medicine veröffentlichte Studie ergab, dass die Konzentration dieser Mikroben nach Läufen erhöht ist – je länger, desto deutlicher.

Veillonella besitzt seltene Fähigkeiten. Die Keime können sich von Lactat (Milchsäure) ernähren – also von dem Zeug, das du während des Trainings produzierst und das dazu führen kann, dass die Muskeln ermüden –, und sie wandeln das Lactat in Propionsäure um, eine kurzkettige Fettsäure, die als Energielieferant für Körperzellen dient. Auf diese Weise halten die Bakterien dich am Laufen. Darüber hinaus gibt es noch mehr Vorteile. Ausdauertraining steigert die Produktion des Wachstumsfaktors BDNF (Brain-Derived Neurotrophic Factor). "Dies geschieht mittels dreier Arten von Bakterien im Darm", erklärt Dr. Sims. BDNF sorgt unter anderem im Gehirn für die Produktion neuer Nervenzellen und kann vor Erkrankungen wie Depression und Demenz schützen. Auch das Reizdarmsyndrom steht möglicherweise mit einem BDNF-Mangel in Zusammenhang.

Wie das funktioniert: Du musst nicht unbedingt einen Marathon laufen, um die mit Ausdauertraining verbundenen Vorteile für die Darmgesundheit zu ernten. 30 bis 45 Minuten Laufen, Radfahren, Rudern, Crosstraining oder Schwimmen 1- bis 2-mal pro Woche reichen aus. "Man sollte es in einem strammen Tempo angehen, aber nur so schnell, dass man die Intensität über die gesamte Dauer des Workouts aufrechterhalten kann", rät Dr. Sims.

Leichte Bewegung: Gute Keime lieben zügige Spaziergänge

Was sie bringt: Unter moderatem aerobem Training versteht man jede Art von körperlicher Aktivität – etwa gehen, langsam Rad fahren, Yoga –, während der du noch problemlos ein Gespräch führen kannst. Generell wirkt diese Art von Bewegung entzündungshemmend im Darm, indem sie die Produktion von Stoffwechselprodukten wie Buttersäure ankurbelt.

Im Gegensatz zu langen, intensiven Einheiten, bei denen der Körper einen Großteil des Blutes zu den Muskeln leitet, führt mäßige Bewegung zu einer stärkeren Durchblutung des Verdauungstraktes. "Dies hilft bei der Nährstoffaufnahme, der Reparatur des Darmgewebes und der Regulierung des darmassoziierten Immunsystems", erklärt Shrushti Shah, Biochemikerin und Pharmakologin an der University of Calgary. Beim darmassoziierten Immunsystem handelt es sich um Gewebe, das etwa 70 Prozent der Immunzellen des Körpers enthält und sich im Dünn- und Dickdarm befindet. Mäßige Bewegung stellt sicher, dass dieses Gewebe leistungsfähig bleibt, indem sie entzündungsauslösende Zytokine unterdrückt und sowohl entzündungshemmende Zytokine als auch antioxidative Enzyme hochreguliert. Das macht dich weniger anfällig für Keime und Viren.

Wie das funktioniert: Empfehlenswert sind 2- bis 3-mal pro Woche eine 45-minütige Wanderung, gemütliche Radtour, Joggingrunde oder Yoga-Session. Sofern du Fitness-Uhr oder Pulsmesser zur Hand hast, ziele darauf ab, eine Herzfrequenz von 50 bis 70 Prozent deines Maximums zu erreichen.

Krafttraining: Gewichtheben hebt die Zahl der guten Bakterien

Was es bringt: Eine in der Fachzeitschrift Frontiers in Immunology veröffentlichte Studie ergab, dass Muskelaufbautraining die Fülle und Vielfalt des Mikrobioms erhöhen kann. Kraftsport unterstützt die Vermehrung jener Darmbakterien, die für die Produktion von entzündungshemmenden, neuroprotektiven, das Immunsystem unterstützenden kurzkettigen Fettsäuren verantwortlich sind.

Krafttraining verbessert auch das Verhältnis der beiden Hauptstämme von Darmbakterien: Bacteroidetes und Bacillota. Letzterer wird manchmal auch als Firmicutes bezeichnet. Er wird mit der Speicherung von Fett aus der Nahrung und damit einem höheren Körperfettanteil in Verbindung gebracht. Dr. Sims: "Wenn die Vielfalt des Darmmikrobioms abnimmt, wird Bacillota zum dominanten Stamm." Wünschenswert ist aber mehr Bacteroidetes, denn diese Keime sorgen für mehr Muskelmasse.

Wie das funktioniert: "Geeignet ist eine Abfolge von 4 bis 8 Ganzkörperübungen, entweder mit dem eigenen Körpergewicht, freien Gewichten oder Geräten", empfiehlt Sims. Gute Übungen sind z. B. Brustpresse, Ausfallschritte und Dead Bug. Absolviere 4 Sätze mit jeweils 6 bis 10 Wiederholungen pro Übung mit 20 Sekunden Pause zwischen den Sätzen. Insgesamt sollte dein Training 45 bis 60 Minuten dauern, und das 2- bis 3-mal pro Woche. Tu es für deinen Darm – und für die Gesundheit insgesamt!

Mehr Bewegung sorgt für einen gesünderen Darm und damit für eine bessere Gesundheit insgesamt sowie größeres Wohlbefinden. Außerdem wird durch ein gesundes Mikrobiom die Lust auf Sport größer – ein selbst verstärkendes System also, was dir nur Vorteile bringt!