So gefährlich ist Solariumbräune wirklich

Schwarzer Hautkrebs
So gefährlich ist Solariumbräune

Veröffentlicht am 20.05.2017
Schwarzer Hautkrebs
Foto: Dundanim / Shutterstock.com

Fast 5 Millionen Bundesbürger gehen ins Solarium, obwohl Mediziner die künstliche Sonne für den dramatischen Anstieg des aggressiven Schwarzen Hautkrebs verantwortlich machen. Gerade junge Frauen sind besonders gefährdet – und leider auch diejenigen, die oft nicht auf das Bräunen verzichten wollen. Das hilft wohl nur eins: endlich echte Aufklärung und bessere Kontrollen der Solarien.

Wäre da nicht dieser Leberfleck in der Achselhöhle gewesen, hätte Ann, damals 21 Jahre alt, gar keinen Grund gehabt, zum Hautarzt zu gehen. Aber die dunkle Stelle sah nicht schön aus und störte beim Rasieren. Der Dermatologe schnitt gleich noch 6 weitere Flecken auf dem Rücken heraus – nur zur Kontrolle. Doch als die Proben aus dem Labor zurück waren, kam der Schock: Eine davon war ein malignes Melanom, ein schwarzer Hautkrebs. Nach der Diagnose kam die Ungewissheit, denn es gab nur 2 Möglichkeiten: Wenn es gut läuft würde Ann nur mit ein paar Narben wieder aus der Sache rauskommen. Läuft es schlecht, würde das Melanom sie umbringen.

Mit 16 hatte Ann angefangen, sich regelmäßig auf die Sonnenbank zu legen, so 2- bis 3-mal pro Woche. Vor dem Urlaub eher mehr; genauso wie danach um die Bräune zu bewahren. Das hielt nicht nur sie so, sondern auch viele ihrer Freundinnen. „Wir sind oft zusammen ins Solarium gegangen und haben uns eine nette Zeit gemacht“, erinnert sich Ann, die heute 24 Jahre alt ist. „Klar wusste ich, dass ich meiner hellen Haut damit keinen Gefallen tue, zumal ich auch ganz oft danach einen Sonnenbrand hatte.“ Aber dass sie deswegen mit Anfang 20 eine Krebspatientin sein würde und sich Gedanken über Schwerbehindertenausweis, Rehamaßnahmen und Selbsthilfegruppen machen muss? Nie hätte sie das für möglich gehalten.

Ann ist leider nicht die Einzige, die diese Gefahr unterschätzt. „Hautkrebs ist inzwischen die häufigste Krebsart in Deutschland“, sagt Gert Nettekoven, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krebshilfe. Allein für das Jahr 2013 rechnen Experten damit, dass hierzulande rund 234 000 Menschen neu an Hautkrebs erkranken, 206 000 am sogenannten weißen Hautkrebs, der nur selten Tochtergeschwülste bildet, und 28 000 am besonders bösartigen schwarzen Hautkrebs, dem malignen Melanom.

So hoch ist Ihr Risiko, Hautkrebs zu entwickeln

Schwarzer Hautkrebs
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Die Entwicklung ist dramatisch, eine US-Studie der Mayo Clinic in Minnesota belegt: Heute bekommen 8-mal so viele junge Frauen zwischen 18 und 39 Jahre ein Melanom als noch vor 40 Jahren. Und obwohl die Menschen heute mehr Urlaub machen, deswegen mehr in der Sonne und unter einer löchrigen Ozonschicht sind, machen Wissenschaftler vor allem Solarien dafür verantwortlich. Zum einen, weil selbst moderne Geräte intensiver brutzeln als die Mittagssonne am Äquator. Zum anderen, weil es einen auffälligen Unterschied zwischen den Geschlechtern gibt: Bei den jungen Männern sind es heute „nur“ 4-mal soviel Melanome. Und Frauen gehen nunmal doppelt so häufig auf die Sonnenbank wie Männer. Das zeigt eine große, von der Deutschen Krebshilfe geförderte Umfrage zur Solariumsnutzung, für die Männer und Frauen zwischen 14 und 45 Jahren interviewt wurden.

Women’s Health wollte es noch genauer wissen. Deshalb haben wir das Mannheimer Institut für Public Health der Universität Heidelberg damit beauftragt, die SUN-Study 2012 speziell auf die Gewohnheiten junger Frauen hin auszuwerten. Das beunruhigende Ergebnis: Fast 2 Millionen Frauen zwischen 18 und 35 Jahren sind im vergangenen Jahr auf der Sonnenbank gewesen - das entspricht etwa 23 Prozent. Im Schnitt waren die Befragten 12,5-mal im Solarium, also rund 1-mal im Monat. Trauriger Spitzenwert: Eine Studienteilnehmerin hatte sich die gefährlichen Strahlen unglaubliche 104-mal in nur einem Jahr abgeholt! Der Spitzenwert ist mehr als  doppelt so hoch wie die Empfehlung der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Prävention, nach der man seiner Haut keinesfalls mehr als 50 Sonnenbäder (die natürlichen mit eingerechnet) im Jahr zumuten soll.

„Das Risiko, an einem malignen Melanom zu erkranken, ist mit 1,8-fach fast doppelt so hoch, wenn Solarien bis zu einem Alter von 35 Jahren regelmäßig genutzt werden“, erklärt Professor Eckhard Breitbart von der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Prävention (ADP) die Dramatik. Dass es noch mal schlechter aussieht, wenn man sich nur die 18- bis 25-jährigen anguckt (hier holten sich sogar 27 Prozent innerhalb der letzten 12 Monate künstliche Sonne) sei ganz besonders alarmierend.

Warum sich Frauen der Gefahr aussetzen

So gefährlich ist Solariumbräune
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Aber warum setzen sich all die jungen Frauen dem Risiko aus, wo doch jeder weiß, dass Solarien eine große Gefahr für die Gesundheit sind? Ganz aktuell spielt dabei Vitamin D eine Rolle. Das ist jenes Vitamin, welches der Körper unter dem Einfluss von UV-Strahlen selbst herstellen kann. Und um das es in den letzten Jahren einen regelrechten Hype gegeben hat: Schon lange weiß man, dass es für feste Knochen sorgt. Seit einigen Jahren mehren sich Studien, denen zufolge es auch das Immunsystem regulieren, den Blutdruck senken, Diabetes, Demenz oder Depressionen verhindern und sogar Krebs vorbeugen soll. Andere Untersuchungen deuten darauf hin, dass sehr viele Menschen in Deutschland einen Vitamin-D-Mangel haben. Und das nutzen Betreiber von Solarien und weisen immer wieder gern darauf hin, dass man das Vitamin in ihren künstlichem UV-Strahlen bekommen kann. Mit „Erfolg“:

Doch das ist gar nicht nötig: „Kein Mensch muss dafür unters Solarium. Auch nicht im Winter“, mahnt Breitbart. Denn der Körper ist in der Lage, überschüssiges Vitamin D aus den hellen Monaten zu speichern. Um über das ganze Jahr versorgt zu sein, reicht es vollkommen aus, während der warmen Jahreszeit mittags 15 bis 20 Minuten an die frische Luft zu gehen. Was die Haut an Händen, Gesicht und Unterarmen aufnimmt, ist genug. „Abgesehen davon sollte man einen Vitamin-D-Mangel durch einen Bluttest vom Arzt bestätigen lassen. Fehlt wirklich etwas, so kann man das sehr gut durch Tabletten substituieren – und zwar ganz ohne zusätzliches Krebsrisiko.“

73 Prozent der jungen Frauen geht es im Sonnenstudio aber noch um etwas ganz anderes: ihr Aussehen. Verständlich, denn gerade in diesem Alter hält nun mal fast jede Ausschau nach dem Traumtyp, und Singles bräunen generell häufiger im Solarium als gebundene Frauen. Das ist genau die Zeit im Leben, in der die meisten viel ausgehen und dabei natürlich auch schön sein wollen. „Es sieht einfach besser aus, wenn man ein bisschen braun ist, gerade mit blonden Haaren“, sagt nicht nur Ann. Auch Ines Imdahl vom Kölner Marktforschungsunternehmen Rheingold Salon weiß, dass sich 'blass ist beautiful' noch nicht in den Köpfen festgesetzt hat.

Aber warum nicht? „Wer braun ist, kann es sich leisten, Zeit draußen zu verbringen und gehört somit also zu den Privilegierten. Das ist die Botschaft, die dahinter steckt“, sagt die Psychologin. Und nicht nur das: Eine leichte Bräune täuscht über Schlafmangel, Stress und den in der Folge fahlen Teint hinweg. „Ein goldener Hautton signalisiert: Klar hab‘ ich Stress, aber den stecke ich locker weg. Gerade jungen Frauen ist diese Gelassenheit heutzutage sehr wichtig.“ Und das gilt für sämtliche Bevölkerungsschichten. Dass nur Personen bildungsferner Schichten regelmäßig Zeit im Sonnenstudio verbringen, ist nämlich falsch.

Vermutlich, weil eins für alle gilt: Licht macht den Menschen glücklich, ob als Sommersonne oder aus der Röhre. Es sorgt dafür, dass der Körper Glückshormone ausschüttet, auch wenn Dermatologen wünschten, es wäre nicht so. Und deshalb ist der Wunsch, etwas für sein Wohlbefinden zu tun und ein wenig zu entspannen, mit 76 Prozent der am häufigsten genannte Grund, auf die Sonnenbank zu gehen. So fing es auch vor ein paar Jahren bei Agneta an. „Es war so ungemütlich und nasskalt draußen, mir fehlte die Sonne“, erinnert sich die 31-jährige. „Ich hatte das Gefühl, das Solarium würde mir gut tun. Also bin ich ab und zu hingegangen, im Schnitt vielleicht einmal im Monat.“

Gefährliche oder harmlose Flecken?

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Was das ganze Problem rund um Hautkrebs und Solarien zusätzlich verschärft: Für Laien ist es normalerweise überhaupt nicht zu erkennen, welcher Leberfleck gefährlich ist und welcher nicht. Agneta zum Beispiel hatte seit vielen Jahren einen am Unterarm, nur 2 Millimeter groß. „Mir ist überhaupt nichts aufgefallen, dabei habe ich den Fleck ja jeden Tag gesehen. Er erschien mir vollkommen unverändert.“ Doch als Agneta im Sommer zum ersten Mal in ihrem Leben zum Haut-Check war, sagte die Dermatologin, der müsse raus. Gesagt, getan, Agneta dachte sich nichts schlimmes dabei. Auch noch nicht, als die Ärztin sie nach dem Fädenziehen ins Sprechzimmer rief. „Für mich war klar, jetzt höre ich kurz ‚Alles bestens‘,“ erinnert sie sich an diesen schwarzen Donnerstag im Juli. Aber es kam ganz anders. Agneta habe „verdammtes Glück“ gehabt, weil der Krebs noch nicht gestreut hatte. „Das hat sie 3-mal gesagt. Und dass ich heute Abend 3 Flaschen Sekt trinken soll. Ich war vollkommen vor den Kopf geschlagen.“ Die Ärztin hatte absolut Recht damit, Agneta zu beglückwünschen.

Sowohl Agneta als auch Ann haben Glück gehabt; ihr Melanom war noch ein „Carcinoma in situ“, ein Tumor, der ausschließlich in der obersten Hautschicht wächst.

WH testet: Setzen Studios gesetzliche Auflagen um?

Schwarzer Hautkrebs
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Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat UV-Strahlung, egal ob künstlich oder natürlich, schon vor Jahren in die höchste Kategorie krebserzeugender Substanzen eingeordnet, zusammen mit Asbest und Tabak.

Wie gefährlich Solarien sind, ist also längst erkannt. Zu einem Verbot aller Sonnenbänke wie in Brasilien oder in einem der australischen Bundesstaaten hat das hierzulande jedoch nicht geführt. Immerhin gilt in Deutschland seit 2012 die aktuelle Verordnung zum Schutz vor schädlichen Wirkungen künstlicher ultravioletter Strahlung (unter www.gesetze-im-internet.de). Diese legt unter anderem fest,

  • dass Minderjährige und die besonders hellen Hauttypen 1 und 2 überhaupt nicht unter künstliche Sonne dürfen,
  • dass auf dieses Verbot schon im Eingangsbereich jedes Solariums hingewiesen werden muss.
  • dass die Geräte eine maximale Strahlungsintensität nicht überschreiten dürfen.
  • dass „eine als Fachpersonal für den Umgang mit UV-Bestrahlungsgeräten qualifizierte Person“ anwesend sein muss, die jedem Kunden ungefragt eine Schutzbrille aushändigt, sich nach Medikamentengebrauch sowie dem Zeitpunkt des letzten Solariumsbesuch erkundigt und je nach Hauttyp einen individuellen Bestrahlungsplan erstellt. Münz- beziehungsweise Selbstbedienungssolarien sind demzufolge verboten.

Klingt grundsätzlich nicht verkehrt. Die Sache ist nur: „Die Ausbildung des Fachpersonals ist weitgehend in der Hand der Solarienbetreiber“, sagt Experte Breitbart. „Das muss sich dringend ändern.“ Außerdem ist die Rechtsprechung das eine, ihre Umsetzung etwas ganz anderes. Denn für Solarien ist das natürlich ein Dilemma: Sie müssten potentielle Kunden eigentlich abweisen.

Wie sie in der Praxis damit umgehen, haben unsere 16- bis 18-jährigen Women’s Health-Testerinnen herausgefunden, die wir für Stichproben durch Hamburg geschickt haben. Ihre Erfahrung: Man kommt auch ohne Ausweis rein, selbst, wenn man ganz blond und hellhäutig ist. Vor allem die Geräte, die in Fitness-Studios, Hotels, Schwimmbädern oder Saunen stehen, fallen komplett durchs Raster. Andere Solarien lassen sich sofort den Ausweis zeigen und haben die Verordnung in eine Checkliste umgesetzt, die sie den Kunden anbieten. Die Sache ist nur: „Wie gut sich die Betreiber an die vorgegebenen Regeln halten, wird viel zu wenig kontrolliert“, erklärt Breitbart. Zuständig ist je nach Bundesland zum Beispiel das Gesundheits- oder Ordnungsamt - und die können natürlich auch nur so gut sein, wie ihre personelle Ausstattung es zulässt. Dennoch hält die Politik das Problem durch die Verordnung für ausreichend behandelt: „Entscheidend ist hier Aufklärung und Transparenz“, sagt etwa CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn auf Anfrage von Women‘s Health. „Jeder sollte sich in eigener Entscheidung bräunen und erholen können. Aber jeder sollte auch die damit verbundenen Gesundheitsrisiken kennen.“

Nur: Was passiert denn in Sachen Aufklärung? Während die bundesdeutschen Großstädte flächendeckend mit Anti-Aids-Plakaten der zuständigen Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung gepflastert sind, herrscht beim Thema „Solarium“ Funkstille. Gute Infos muss man suchen, es gibt sie aber zum Beispiel auf der Seite der ADP (unserehaut.de).

Im Grunde verhält es sich also mit dem künstlichen Bräunen wie mit dem Rauchen. Es ist ungesund. Es ist unvernünftig. Es ist verantwortungslos. Und trotzdem wird das Wissen darum ausgeblendet. Aber es ist möglich, damit aufzuhören. Bei den Rauchern klappt das schon ganz gut, heutzutage ist es längst nicht mehr so cool wie früher, sich eine Kippe anzustecken. Und erfreulicherweise gibt es auch weniger Raucher als noch vor 10 Jahren. Jetzt muss es nur noch Klick machen bei den Solariumsnutzern. Und die haben ja sogar eine gesunde Alternative: Gegen Sonnenduschen, in denen man sich in immer mehr Sonnenstudios am ganzen Körper nahtlos mit Selbstbräuner besprenkeln lassen kann, haben Dermatologen nämlich absolut nichts einzuwenden.