Aus dem Haus ohne BH: Für manche Frau klingt das nach echter Freiheit und Akzeptanz des eigenen Körpers. Dennoch trauen sich längst nicht alle Frauen, ohne BH das Haus zu verlassen. Die Gründe sind ganz verschieden. Wir haben eine Expertin und einen Experten befragt, wie wichtig Büstenhalter wirklich sind.
Wie ist die Brust aufgebaut?
Es ist sinnvoll, erst einmal den Aufbau des Busens zu betrachten. "In der Brust befinden sich Milchdrüsen, die von Fett- und Bindegewebe umgeben sind", erklärt Carolin Fenger, Oberärztin der Frauenklinik im Marienkrankenhaus Hamburg.
Der BH hält das Fett-, Binde- und Drüsengewebe an Ort und Stelle. Was das bringt, ist letztlich schwierig zu erforschen, denn es ist bei jeder Frau anders.
Entsteht ohne BH ein "Hängebusen"?
Zunächst einmal dies: Der Begriff "Hängebusen" ist ein sehr hässliches Wort. Es ist vollkommen normal, dass bei zunehmendem Alter das Bindegewebe und die Haut an Elastizität verlieren und die Brust sich dadurch senkt.
"Das ist ein ganz natürlicher Alterungsprozess, der etwa ab dem 35. Lebensjahr einsetzt", erklärt Professor Dr. Christian Schem vom Mammazentrum Hamburg. Es ist daher auch nicht sehr sensibel, dabei von "ausleiern" zu sprechen, wie man es oft hört.
Eine nicht mehr straffe, hängende Brust kann zudem durch Belastung entstehen. "Vor allem bei einer Schwangerschaft oder einer Gewichtsveränderung wird das Gewebe besonders beansprucht", so der Arzt. Das bleibt in vielen Fällen nicht folgenlos: Die Brüste werden schlaffer.
Werden die Brüste durch Training fester?
Nein. Zwar kann es nicht schaden, wenn du deine Brustmuskulatur in Form hältst. Du wirst damit aber den Prozess des Erschlaffens nicht stoppen können.
"Der Brustmuskel umgibt nicht die ganze Brust, sondern liegt dahinter. Fett- und Bindegewebe lassen sich nicht auf solche Weise trainieren", erklärt Schem.
Du möchtest dennoch etwas für ein schönes Dekolleté tun? Diese 4 Tipps sorgen für straffe Brüste.
Kann ich ohne BH Sport machen?
Die Frage lässt sich nicht pauschal beantworten: Schließlich hängt es von deinem Körper und auch von der Sportart ab, wie sinnvoll Sport ohne Büstenhalter ist.
Möchtest du eigentlich keinen BH tragen? Dann probiere einfach mal aus, ob du auch ohne Unterstützung der Brust zurechtkommst. Allerdings solltest du einen Sport-BH tragen, wenn bei deiner Sportart einer dieser Punkte zutrifft:
- Du musst dabei joggen.
- Du musst springen.
- Der Sport erfordert ruckartige Bewegungen (wie z. B. Fechten).
- Bei dem Sport bewegst du dich auf und ab (wie z. B. Reiten).
"Beim Sport werden die Brüste deutlich stärker belastet als im Alltag, selbst bei kleineren Größen", warnt Fenger. Ohne BH kann deine Oberweite schnell schmerzen und das Bindegewebe wird durch die Belastung stark strapaziert.
Trage deshalb bei belastenden Sportarten immer einen gut passenden BH: So findest du den optimalen Sport-BH.

Damit beim Seilspringen nicht mehr hopst als dir lieb ist, empfiehlt sich hier ein guter Sport-BH.
Kann jede Frau auf einen BH verzichten?
BH tragen oder nicht? Hinter dieser Frage steckt mehr als nur der Wunsch nach mehr Freiheit: Die Antwort hängt auch davon ab, wie dein Körper darauf reagieren könnte.
Da jede Brust sehr unterschiedlich ist, lässt sich das schwer vorhersagen. Prof. Schem nennt 5 Faktoren, welche die Festigkeit der Brust beeinflussen können.
Die Körbchengröße: Größere Brüste sind schwerer als kleinere, müssen also mehr aushalten. "Durch diese starke Belastung verliert das Stützgewebe deutlich schneller an Spannkraft als bei leichteren Brüsten", so der Arzt. Dabei ist es egal, ob deine Brüste von Natur aus groß sind oder ob du eine Brustvergrößerung machen lassen hast.
Deine Gene: Die genetische Prädisposition kann ebenfalls die Festigkeit des Gewebes beeinflussen. "Wenn an einem Punkt des Körpers das Gewebe weicher ist, ist es das vermutlich auch an anderen Stellen", beschreibt Schem. Dann kann ein BH die nötige Unterstützung bieten.
Dein Lebensstil: Wie fest dein Bindegewebe ist, hängt auch davon ab, wie gesund du lebst. Wer Sport macht, sich ausgewogen ernährt und viel trinkt, tut dem Gewebe etwas Gutes. Keine Bewegung, Rauchen oder eine schlechte Ernährung dagegen machen auch den straffsten Körper schwach.
Dein Alter: Mit der Zeit verliert dein Körper an Spannkraft. Das ist ein ganz natürlicher Prozess, führt zu Fältchen oder zu einer schlafferen Oberweite. Bist du noch unter 30, musst du dir (noch) wenig Gedanken um die Tücken der Schwerkraft machen.
Du hast Kinder: Während der Schwangerschaft und zum Stillen wachsen die Brüste. Danach ziehen sie sich aber manchmal nicht mehr vollständig zusammen. Während dieser Zeit solltest du deshalb auf jeden Fall einen BH tragen. Sprich dich am besten auch mit deinem Arzt oder deiner Ärztin ab, denn ein zu enger BH kann zu wunden Brustwarzen oder einem Milchstau führen.
"Letztlich haben die Frauen meistens ein ganz gutes Gefühl dafür, ob sie einen BH brauchen oder nicht", erklärt Prof. Schem. Wenn du ohne BH Schmerzen hast und dich körperlich unwohl fühlst, dann trage lieber einen. So findest du den passenden BH für deine Brustform.
BH weglassen: 5 häufige Ängste
Dich soll nichts einschränken, aber du traust dich noch nicht ganz, den Büstenhalter wegzulassen? Das geht vielen Frauen so. Hier sind ein paar typische Gedanken zur Frage „BH oder kein BH?“ und wie du damit umgehen kannst.
- "Alle werden gucken": Es mag dir vielleicht am Anfang so vorkommen, als würden alle auf deine Brust sehen. Oft täuscht dieser Eindruck jedoch. Tatsächlich ist es den meisten Menschen ziemlich egal, welche Form deine Brüste haben und ob sie sich ohne BH etwas stärker auf und ab bewegen.
- "Dann sieht man alles": Vor allem vor sichtbaren Brustwarzen haben viele Frauen Angst, dabei ist das eigentlich gar nicht nötig. Unter weichem Stoff blitzen sie manchmal hervor. Ist dir das unangenehm, nutze spezielle „Nippelpflaster“ oder wattierte Bustiers. Damit verrätst du nicht mehr, als du möchtest.
- "Das sieht nicht schön aus": Die individuelle Brustform ist so verschieden wie ein Fingerabdruck. Und alle sind schön. Du fühlst dich trotzdem nicht wohl in deiner Haut? Dann gewöhne dich langsam um: BH-Modelle mit einer natürlicheren Form halten alles am Platz und sorgen nach und nach für das nötige Selbstvertrauen, um irgendwann doch einmal BH-los rauszugehen.
- "So kann ich nicht zur Arbeit": Das kann bei einigen Jobs tatsächlich so sein. Wenn das Arbeitsklima eher förmlich ist oder du viel Kundenkontakt hast, solltest du zumindest tagsüber einen bequemen BH tragen, wie diesen Bügellosen BH. Nach Feierabend hast du dann in jeder Hinsicht "frei".
- "Das tut bestimmt weh": Probiere es einfach aus: Mache den nächsten Wocheneinkauf ohne BH und schaue, ob bei dieser leichten Bewegung Schmerzen auftreten. Wenn ja, solltest du dir ein BH-Modell suchen, das genug Unterstützung bietet, aber trotzdem bequem ist. Beliebt ist z. B. der UnsichtBra. Wenn die Brustwarzen aufscheuern, kannst du weiche Tops aus Baumwolle unterziehen.
Keinen BH tragen: Vor- und Nachteile
Die Brust nicht in einen einzuzwängen, klingt verlockend. Allerdings unterstützen Büstenhalter deinen Busen auch. Auf den BH zu verzichten, hat daher sowohl Vorteile als auch Nachteile.
Vorteile, wenn du keinen BH trägst
Neben dem Gefühl der Freiheit gibt es weitere Pluspunkte, wenn Frauen ohne BH unterwegs sind. Diese Vorteile hat es, einfach mal keinen BH zu tragen:
- Kein Zwicken, Kneifen, Drücken: Nicht jeder BH sitzt wirklich perfekt. Das Aufatmen, wenn man ihn am Abend endlich ausziehen kann, kennen viele Frauen. Ohne sparst du dir das lästige Zwicken und Drücken.
- Keine Verschlechterung der Körperhaltung: Sitzt der BH nicht richtig, kann er deine Körperhaltung verschlechtern. Das gilt vor allem dann, wenn deine Brüste größer sind. Achte dann besonders auf die richtige Größe und einen sehr guten Sitz.
- Geringere Gefahr für Pilzinfektionen: Trägst du beim Sport keinen BH (z. B. beim Yoga), hat das einen enormen Vorteil: Der Schweiß sammelt sich nicht unter dem Büstenhalter. Das ist wichtig, denn "sonst kann es zu Rötungen der Haut und sogar zu Pilzinfektionen kommen", warnt die Ärztin Carolin Fenger.

BH aus, Freiheit an! Trage nur, was du willst und wann du willst.
Nachteile, wenn du keinen BH trägst
So lästig ein BH auch sein kann: Er wurde nicht grundlos erfunden und hat somit seine Berechtigung. Deshalb gibt es auch einige Nachteile, wenn du keinen tragen möchtest.
- Keine Unterstützung des Gewebes: Kein BH bedeutet auch: keine stützende Wirkung für das Gewebe. Trägst du dauerhaft keinen, ist es möglich, dass dein Gewebe früher ermüdet und schlaff wird, als das mit BH der Fall gewesen wäre. Kannst du das als ganz natürlich akzeptieren, ist das allerdings kein echter Nachteil.
- Ungewohntes Gefühl: Nicht jede Frau fühlt sich ohne Büstenhalter wohl. Auch lässt sich ohne BH eine große Brust teilweise schlecht managen. Ist es dir lieber, alles „sicher verstaut“ zu wissen, trage einen BH.
- Verzicht auf schöne Dessous: Trägst du gern hübsche Unterwäsche? Dann hast du sicher auch eine Vorliebe für schöne BHs. Auf sie müsstest du verzichten, wenn du beschließt, dass deine Brüste ohne auskommen. Natürlich kannst du aber auch abwechseln und mal einen BH tragen und mal nicht.
Welche Alternativen gibt es zu BHs?
Wenn du dich (noch) nicht traust, den BH komplett wegzulassen, kannst du auf ein riesiges Angebot verschiedener Optionen zurückgreifen. Ein bügelloses, wattiertes Modell trägt sich beispielsweise sehr angenehm. Auch ein weiches Bustier, das nur minimal stützt, gibt dir ein Gefühl von Sicherheit, aber auch von Freiheit.
Wenn es ein wenig sinnlicher sein soll, kannst du nach Bralettes aus Spitze suchen. Oder du trägst im Sommer auch im Alltag deinen Lieblings-Bikini. Probiere es einfach mal aus, die Hauptsache ist, du fühlst dich wohl damit.
Die häufigsten Fragen zu BH tragen oder nicht
Ist es gut, wenn man keinen BH trägt?
Das lässt sich pauschal nicht beantworten. Bei eher kleinen Brüsten kann es sich im Alltag gut anfühlen, auf einen einengenden BH zu verzichten. Bei einer eher großen Brust kann es ohne BH zu Problemen, wie Schmerzen kommen.
Was ist gesünder? Mit oder ohne BH?
Bleibt man eher mit oder ohne BH gesund? "Ein gut sitzender BH steht in keinem Zusammenhang mit irgendeiner Krankheit", sagt die Ärztin Carolin Fenger. Jedoch kann ein schlecht sitzender Büstenhalter die Körperhaltung verschlechtern. Ein zu enger Sport-BH kann zudem Pilzinfektionen begünstigen.
Soll man täglich einen BH tragen?
Du kannst einen BH tragen oder nicht. Mach es, wie es dir gefällt. Bei Bedarf kannst du auch täglich einen anziehen. Rund um die Uhr solltest du ihn aber nicht tragen – auch dann nicht, wenn du ein sehr weiches und bequemes Modell trägst. Zumindest in der Nacht sollten sich deine Brüste ohne BH erholen können.
Fazit: BH ja oder nein? Mach, was dir gefällt!
Es gibt zahlreiche überzeugende Argumente für und gegen das Tragen eines Büstenhalters. Wäge für dich ab, was dir wichtig ist und wie du dich am wohlsten fühlst. Hast du eher kleine Brüste, fällt die Entscheidung gegen den Büstenhalter vermutlich leichter – eine große Brust kann ohne BH Schmerzen verursachen und dich einschränken. Probiere in deiner Freizeit einfach verschiedene Möglichkeiten aus. Schließlich ist allein eines wichtig: Du musst dich damit wohlfühlen.
Erwähnte Quellen:
Brian Rinker et al.: Breast Ptosis: causes and cure. 2010 May; doi 10.1097/SAP.0b013e3181c39377, zuletzt abgerufen am 27.11.2024