Die Kausalkette ist klar: Rückenschmerzen gehören zu den Top-Volksleiden. Und körperliche Fehlhaltungen gehören zu den häufigsten Auslösern von Rückenschmerzen. Also empfiehlt es sich, etwas für eine gesunde Haltung zu tun. Nur was?
Haltungsgurte, die du dir um den Oberkörper schnallst, um deine Wirbelsäule in eine optimale aufrechte Position zu bringen, sollen helfen. Doch können sie das wirklich? Wir haben nachgefragt.
Was ist ein Haltungstrainer?
Ziel eines Haltungstrainers ist es, die Körperhaltung zu optimieren, also Nacken, Schultern und Rücken in eine aufrechte, ergonomische Position zu bringen und dort zu halten. Dafür wird der Oberkörper mit Hilfe von individuell verstellbaren, elastischen Gurten so ausgerichtet, dass die Wirbelsäule stabil in ihrer korrekten Ausrichtung gehalten wird. Zieht es in den Gurten, wird man daran erinnert, sich wieder aufzurichten. Die Haltungskorrektur, so das Werbeversprechen, soll "bei regelmäßiger Nutzung für eine verbesserte Körperhaltung" sorgen, so ein Anbieter (Blackrox).
Es gibt mittlerweile eine Vielzahl an Haltungstrainern aus verschiedenen Materialien, z.B. Baumwolle, Nylon, Neopren oder Elastan. Die meisten lassen sich per Klettverschluss den individuellen Körpermaßen anpassen. Einige Modelle wie der unisex Gurt von PhysioSpirit besteht ganz minimalistisch aus zwei Schulterschlaufen, die über eine verstellbare Halterung zwischen den Schulterblättern justiert werden, und auch unauffällig unter der Kleidung tragbar sind. Andere Modelle haben zusätzlich einen Rückenstützgürtel, der um Bauch und Rücken gewickelt wird (z.B. von BraceTop).
Was bringen Haltungstrainer?
Eigentlich ist nur die Hälfte der Bezeichnung "Haltungstrainer" richtig: Denn ja, sie können, bei richtiger Anwendung, den Oberkörper in eine rückenfreundliche Position bringen und dort halten. Doch die Haltung "trainieren" können sie nicht, das musst du schon selbst durch gezieltes Oberkörper-Krafttraining tun.
"Muskuläre Defizite und Dysbalancen, die zu Fehlhaltungen und dadurch Rückenschmerzen führen können, kann man nicht durch einen Gurt korrigieren", sagt Facharzt für Orthopädie und Sportmediziner Dr. Markus Klingenberg, Leitender Arzt an der Betaklinik für Sportmedizin in Bonn. Der Orthopäde beobachtet seit Längerem eine Art Werkstattmentalität vieler Rückenpatienten: "Immer mehr Menschen mit Rückenschmerzen fehlt das Gefühl für die Eigenverantwortung", sagt der Experte, "Sie kommen zum Orthopäden, mit der Erwartung, der wird es schon richten, aber bitte ohne eigene Anstrengung."
Aus dieser Mentalität speise sich womöglich auch der Run auf die "Geradehalter", wie sie treffender zu bezeichnen sind. Doch nur mit Eigeneinsatz bzw. gezieltem Muskeltraining machen die Gurte langfristig Sinn.
Das beste Mittel gegen Rückenschmerzen und eine schlechte Körperhaltung ist ein funktionelles Rückentraining. Unser Plan zeigt dir die besten Übungen:
Für wen sind Haltungstrainer sinnvoll?
Wenn du merkst, dass du immer wieder mit krummem Rücken vor dem Computer sitzt oder Rückenschmerzen hast, und bereit bist, aktiv etwas dagegen zu tun, kann dir ein Haltungstrainer durchaus nützen. "Nur wer sein Verhalten verändert, die Schulter-, Rücken- und Bauchmuskulatur regelmäßig mit Krafttraining stärkt und sich gezielt dehnt, wird die eigene Körperhaltung verbessern und damit auch Rückenschmerzen vermeiden können. Die Beweglichkeit der Brustwirbelsäule ist von entscheidender Bedeutung", sagt Buchautor Dr. Kingenberg (Retun-to-Sport).
Manche Gurt-Hersteller wie z.B. Blackroll Posture oder Martneck bieten deshalb zum Geradehalter-Gurt eine kostenlose App mit funktionellen Übungen an, mit so einer Kombi kannst du Rückenprobleme angehen. Wenn du aktiv trainierst, kann dir ein Haltungstrainer zusätzlich helfen, z.B. bei langem Sitzen, nicht so schnell wieder in Fehlhaltungen zu verfallen. Sie schärfen die Selbstwahrnehmung: Wenn es in den Gurten zieht, weil du in eine schlechte Körperhaltung zurückfällst, ist es Zeit, dich wieder aufzurichten.
Bedenke allerdings, dass die meisten Gurte anfangs nicht länger als 30 Minuten am Stück getragen werden sollten, und auch nach einer Eingewöhnungsphase nicht länger als wenige Stunden. Noch gibt es keine Studien, welche Auswirkungen die Gurte tatsächlich haben, ob und welche negativen Auswirkungen möglich sind. Wenn du unter einer krankhaften Wirbelsäulenveränderung leidest, z.B. einer Skoliose, solltest du Haltegurte grundsätzlich nur nach ärztlicher Rücksprache benutzen.
Trainables: Was für andere Formen von Haltungstrainer sind sinnvoll?
Eine Alternative zu den Gurten sind vibrierende Haltungskorrektoren (manche Modelle verbinden auch beides, z.B. das Smart Modell von KKPLZZ). Das sind kleine Clips, die am Rücken z.B. am Kragen angebracht (z.B. 8sense von Beurer) oder mit einer Kette am Rücken platziert werden (gibt es z.B. von Fyearfly). Sie vibrieren leicht, sobald du zu lange in einer Sitzhaltung verbringst. "Dadurch regen sie zu einem aktiveren Sitzverhalten an und fördern die Selbstwahrnehmung. Deshalb werden sie auch als Trainables bezeichnet", sagt Orthopäde und Sportmediziner Dr. Klingenberg, der diese Variante den Gurten vorzieht. Idealerweise regen die Vibrationen während langer Sitzphase dazu an, eine aktive Pause einzulegen, mit ein paar Dehn- oder Kräftigungsübungen.
Einige der vibrierenden Haltungskorrektoren kann man mit einer App verbinden, die sämtliche Bewegungen registriert und ein Echtzeit-Feedback gibt (z.B. das per Gel-Patch im Rücken befestigte Modell von Agatige). Das kann helfen und motivieren, deine Rücken- und Körperhaltungsprobleme in den Griff zu bekommen.
Fazit: Eine "schlechte", unergonomische Körperhaltung können Haltungstrainer optisch vielleicht kurzzeitig kaschieren, das eigentliche Problem, die muskulären Defizite, können sie nicht beheben. Wenn du aber aktiv an deiner Rückenmuskulatur arbeitest, können dir die Haltungs-Tools und -Gadgets Feedback über die Fortschritte geben und zum Dranbleiben motivieren.