Corona: Brain Fog als Langzeitfolge

Corona-Langzeitfolgen
Nebel im Kopf? Dieses Long-Covid-Gehirnleiden kann auch dich jederzeit treffen

Veröffentlicht am 27.11.2023
Brain Fog
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Wie würdest du dir etwas vorstellen, das Ärzte als Gehirnnebel (englisch "brain fog") bezeichnen? Vielleicht Momente, in denen du keinen vernünftigen Satz zusammenbekommst und beim Denken ständig den Faden verlierst. Oder ein allgemeineres Problem, schlichtweg ein Mangel an Konzentration.

Falls du Schwierigkeiten hast, es zu definieren, bist du nicht die Einzige. Die Bewusstseinstrübung ist verwirrend, sogar für Mediziner. Und ihre Auswirkungen sind bei jedem Menschen anders.

Was ist "Brain Fog"?

Das Phänomen tritt immer häufiger auf. Bis zu 25 Prozent aller Menschen, die an Covid-19 erkranken, leiden später unter Brain Fog. Dies ergab eine in der Fachzeitschrift Cell veröffentlichte Studie. Dennoch gibt es bislang keine einheitliche Definition des Problems. Fest steht, dass häufig die Aufmerksamkeit, das Gedächtnis und die sogenannten exekutiven Funktionen beeinträchtigt sind. "Bei Letzteren handelt es sich quasi um die Geschäftsführung des Gehirns", erklärt Dr. Jacqueline H. Becker, Neuropsychologin beim Mount Sinai Health System in New York.

Die exekutiven Funktionen haben den Überblick über alle Aufgaben und helfen bei den schwierigeren, wie etwa Informationen einordnen, Pläne ausarbeiten und Probleme lösen. Dies findet im Frontallappen statt, dem evolutionär jüngsten Teil des Gehirns, über den nur der Mensch verfügt.

Brain-Fog-Symptome können auch durch andere Erkrankungen wie etwa Multiple Sklerose hervorgerufen werden. "Das ist aber relativ selten", betont Dr. Gina Perez-Giraldo, Neurologin am Northwestern Memorial Hospital in Chicago. "Seit Beginn der Corona-Pandemie kommen viel mehr Patienten zu uns." Experten empfehlen bestimmte Lebensstiländerungen, um Abhilfe zu schaffen. Wenn du betroffen bist oder zumindest den Verdacht hast, kannst du mit den folgenden Schritten dazu beitragen, dass sich der Nebel im Kopf lichtet.

Checke zuerst die Basics: Schlaf, Schmerzen, Medikamente

Achte auf grundlegende Dinge wie Schlaf und chronische Schmerzen. "Wer genug schläft, fühlt sich klarer im Kopf, effizienter und schneller", erklärt Dr. Erica Cotton, Neuropsychologin am Northwestern Memorial Hospital. Zwischen 7 und 9 Stunden pro Nacht sind empfehlenswert. Das hast du wahrscheinlich schon öfter gehört, aber in diesem Zusammenhang ist es zwingend notwendig.

Achte auch darauf, ob du permanent mit irgendeiner Form von Schmerz zu tun hast. Schmerz kann ebenfalls ein Grund für ein verschwommenes Gefühl im Kopf sein. "Er ist einer der stärksten Störfaktoren beim Denken", so Cotton. Er beansprucht alle Aufmerksamkeit, sodass du dich auf nichts anderes mehr konzentrieren kannst. Weitere Auslöser können Medikamente sein. Lies dir alle Beipackzettel durch oder frag deinen Arzt nach Nebenwirkungen.

Brain Fog
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Mache einen kompletten Selbst-Check

"Das wichtigste Kriterium für erfolgreiche Heilung ist, wieder dasselbe Leistungsniveau zu erreichen wie vorher", erklärt Neuropsychologin Becker. Dieses Level ist bei jedem Menschen unterschiedlich. Es ist erlaubt – und in diesem Fall sogar hilfreich –, sich mit anderen zu vergleichen. Die Prüfung, wie du bei verschiedenen, kognitiven Aufgaben abschneidest, liefert dir reale Ergebnisse.

Ein Beispiel: Im Rahmen einer Studie mit 124 gesunden, jungen Erwachsenen hatten 57 Prozent mindestens einmal in der Woche Probleme, ein Wort zu finden. 50 Prozent gingen in ein Zimmer und wussten nicht mehr, warum sie dort hingegangen sind. 48 Prozent vergaßen, beim Shopping eine bestimmte Sache einzukaufen. 33 Prozent erinnerten sich nicht an ein wichtiges Gespräch, eine Verabredung oder eine Erledigung. Das bedeutet, falls du 1- oder 2-mal in der Woche in einen Raum gehst und vergessen hast, was du da wolltest, dann ist das normal. "Falls das jedoch ständig passiert oder es auch anderen Menschen auffällt, dass Sätze nicht zu Ende gebracht werden können, dann sollte ein Arzt um Rat gebeten werden", empfiehlt Dr. Erica Cotton.

Wann dir eine Therapie helfen kann

Der Brain Fog kann dich sehr beeinträchtigen, weil er dich davon abhält, dich auf einfachste Dinge zu fokussieren. Nimm als Beispiel eine Situation, in der du dich sehr aufregst: In dem Moment ist es generell schwierig, dich zu konzentrieren, oder? "Dann zieht das limbische System des Gehirns, das Gefühle und Gedächtnis steuert, die gesamte Aufmerksamkeit auf sich, und der Frontallappen tritt in den Hintergrund", erklärt Cotton. Tja, und für Menschen mit Brain Fog ist es noch schwieriger, auf den Frontallappen zurückzugreifen, wenn sie emotional getriggert werden.

Wenn der Hirnnebel dich in dieser Weise an der Bewältigung des Alltags hindert, kann eine kognitive Verhaltenstherapie helfen, das Gleichgewicht wieder herzustellen. Die gleiche Art der Therapie hilft übrigens auch gegen Angststörungen und Depressionen, beides Komplikationen, die mit Brain Fog in Zusammenhang stehen können.

Wann eine Reha notwendig wird

In schwierigen Fällen, wenn die Symptome der Bewusstseinstrübung Menschen komplett dabei ausbremsen, im Beruf und Alltag klarzukommen, kann eine Rehabilitationsmaßnahme der beste Weg zur Besserung sein.

In Deutschland haben sich zahlreiche Reha-Kliniken auf die Behandlung von Long-Covid-Patienten spezialisiert. Eine Übersicht der Einrichtungen findest du auf der Website der Deutschen Rentenversicherung.

Was den Brain Fog noch verstärkt

Bestimmte Denkmuster verschlimmern den Gehirnnebel. So erkennst und überwindest du sie:

Du vermeidest Herausforderungen

Wenn du einen verletzten Arm nicht benutzt, wird er schwächer. "Genau so geht es dem Gehirn, wenn es keine kognitiven Aufgaben bekommt", warnt Dr. Cotton.

Gegenmaßnahme: Wie beim Sport steigt die Leistung durch Training. Beschäftige dich mit einem Bastelprojekt oder lerne eine neue Sprache, auch wenn du glaubst, dass es schwer wird.

Du ärgerst dich über jeden kleinen Fehler

Lücken bei Aufmerksamkeit und Gedächtnis sind normal. Viele Menschen mit Brain Fog sind zu sehr fixiert auf diese Probleme.

Gegenmaßnahme: Das Hirn hakt und stolpert ständig. Ineffizienz gehört zu seiner normalen Arbeitsweise. Das solltest du verinnerlichen, dann frustriert es dich weniger.

Du hängst in einer Abwärtsspirale fest

Viele Menschen, die unter kognitiven Problemen leiden, zweifeln an den Fähigkeiten ihres Gehirns, selbst wenn sie ihren Alltag noch gut bewältigen können.

Gegenmaßnahme: Wann immer du dein Selbstvertrauen verlierst, konzentriere dich nur auf eine einzige Sache, die jetzt gerade ansteht. Auch dabei kann kognitive Verhaltenstherapie helfen. Sie bringt schneller den Glauben an die eigenen Fähigkeiten zurück.

Leidest du unter Brain Fog, sind häufig die Aufmerksamkeit, das Gedächtnis und die exekutiven Funktionen des Gehirns beeinträchtigt. Versuche dann, ausreichend zu schlafen (7-9 Stunden) und auf chronische Schmerzen oder Medikamente zu achten. Sie können ebenfalls Auslöser für mangelnde Konzentration sein. Ändert das nichts, kann eine Therapie oder Reha-Klinik helfen.