Schneller fit dank Kompressionsstiefel

Recovery Boots
Dank dieser Kompressionsstiefel sollst du angeblich schneller fit werden

Veröffentlicht am 09.07.2024
Kompressionsstiefel sorgen nach dem Sport für schnelle, tiefe Entspannung
Foto: Drazen Zigic / Shutterstock.com

Ambitionierte Sportler*innen müssen zwischen zwei Trainingseinheiten oder vor einem Wettkampf ihre Muskulatur schnell wieder regenerieren, Kompressionsstiefel sollen dabei helfen. Wie sie funktionieren und für wen sich die Anschaffung lohnt, liest du hier. Was sind Kompressionsstiefel bzw. Recovery Boots?

Kompressionsstiefel, auch Recovery Boots genannt, sind im Grunde stiefelförmige, aufblasbare Schläuche, die im entspannten Sitzen oder Liegen von den Füßen bis über die Oberschenkel angezogen werden. Sie bestehen aus hohlen Luftkammern, die sich bei der Anwendung von den Füßen aufwärts mit Luft füllen, entlang der Beine dadurch Druck aufbauen (komprimieren) und so einen Massage-Effekt auslösen.

Ursprünglich wurden die Stiefel in medizinischen und physiotherapeutischen Praxen, z.B. bei Lymphödem-Patientinnen angewandt. Doch inzwischen haben auch Sportlerinnen die regenerierende Wirkung der Luftkammer-Massage nach harten Trainingseinheiten für sich entdeckt.

Zahlreiche Modelle unterschiedlicher Hersteller sind auf dem Markt, zu Preisen zwischen 200 und über 1000 Euro. Das Bauprinzip ist meist ähnlich, Unterschiede bestehen u.a. in den unterschiedlichen Intervalleinstellungen bzw. Massagemodi und Zubehör. Einige Beispiele:

  • Die Starkfeldboots sind in 4 verschiedenen Beinlängen erhältlich, werden kabellos batteriebetrieben und können in ihrer Tragetasche leicht transportiert werden. Über einen übersichtlichen Monitor lässt sich Massagestil und -druck individuell steuern. Mit rund 250 Euro gehören sie zu den preisgünstigsten Modellen.
  • Das bei Physotherapeuten beliebte Modell Normatec 3 (zirka 999 Euro) ist kabelgebunden, verfügt über 7 Kompressionsstufen, ist mit einer intuitiven Benutzeroberfläche des Steuer-Monitors ausgestattet und kann via Bluetooth mit einer App verbunden werden.
  • Im mittleren Preissegment findet man die Compression Boots von Blackroll (zirka 500 Euro) mit wiederaufladbarem Akku. Sie bieten 3 unterschiedliche Größen und 3 Massageprogramme mit 5 Druckstufen zur Auswahl. Die Massagestiefel lassen sich in der mitgelieferten Tasche gut transportieren.

Welchen Effekt haben Recovery Boots?

In Studien wurde nachgewiesen, dass die Boots die Durchblutung der Beine steigern, in dem sie den venösen Abfluss verstärken. Dadurch soll, so die Theorie, die Regeneration der im Training belasteten Muskulatur beschleunigt werden: Der erhöhte Blutfluss soll die im Training entstanden, Entzündungen auslösenden Zytokine schneller abtransportieren und die Muskulatur vermehrt mit Sauerstoff versorgen können. So sollen Schmerzen, Muskelkater und durch das Training ausgelöste Entzündungsprozesse verringert werden, und der Körper in kürzerer Zeit wieder belastbar sein, sodass die Pausenzeiten zwischen einzelnen Trainingseinheiten geringer ausfallen können.

Ob das wirklich gelingt, dazu ist die Studienlage durchwachsen. In einer im International Journal of Exercise Science vorgestellten Studie konnten keine Effekte auf die Entzündungswerte von Langstreckenläufer*innen festgestellt werden.

„Es gibt jedoch auch Studien, die ergaben, dass sich Sportler*innen nach der Anwendung schneller erholen, sie weniger Muskelkater entwickelten und schneller wieder leistungsfähiger waren“, sagt Jonas Schaerk, leitender Sportwissenschaftler am Hamburger UKE Athleticum (LINK). „Die Ergebnisse zeigten jedoch auch, dass die Effekte individuell unterschiedlich sind, einigen Athleten hat die Kompression geholfen, anderen nicht.“

Auch Placebo-Effekte seien nicht ausgeschlossen, so der Sportwissenschaftler, denn nach der Luftdruckmassage fühlt man sich auf jeden Fall besser, unabhängig von der tatsächlichen Wirkung auch der physiologischen Seite. Und: "Richtig angewandt können sie nicht schaden", sagt Jonas Schaerk.

Für wen eignen sich Recovery Boots?

Für alle, die beim Training vor allem die Beine belasten, etwa Läuferinnen und Radfahrerinnen, die ihr Training ernst nehmen. "Die Boots gleichen zum Beispiel eine schlechte Ernährung oder zu wenig Schlaf nicht aus, sie können nur ergänzend dazu beitragen, die sportliche Performance zu verbessern", sagt der Trainingswissenschaftler.

Die Physiotherapeuten des Hamburger Athleticums haben positive Erfahrungswerte mit dem Einsatz von Kompressionsstiefeln in der Regenerationsphase gemacht und setzen sie bei von ihnen betreuten Hochleistungssportlern, z.B. Spielern des HSV, ein.

"Wirklich Sinn macht der Einsatz von Kompressionsstiefeln erst, wenn man sehr häufig beinorientiert trainiert und sie dann auch regelmäßig anwendet", sagt Schaerk, "Wer nur 2-3 mal pro Woche joggen geht, für den geht womöglich der Kosten-Nutzen-Faktor nicht auf."

Heiß-kaltes Wechselduschen zu Hause bzw. ein Sauna- oder Kältekammer-Gang im Fitnessstudio haben nach einer harten Trainingseinheit einen ähnlichen regenerativen Effekt wie die Kompressionsstiefel, so Sportexperte Jonas Schaerk.

Aber zugegeben, solche Maßnahmen sind zwar preisgünstiger, aber auch aufwändiger. Mit den Boots entspanndt du dich wahrscheinlich schneller: Du legst dich einfach gemütlich aufs Sofa, guckst Fernsehen und lässt die Manschetten arbeiten.

Fazit: Kompressionsstiefel können nach intensiven Sporteinheiten mit viel Beineinsatz bei der Regeneration helfen. Sportlerinnen, deren Muskeln möglichst schnell regenerieren sollen, um wieder belastbar zu sein, können davon am meisten profitieren – wenn auch möglicherweise vor allem auf der mentalen denn auf der physischen Ebene, die Studienlage dazu ist da nicht eindeutig und weist auf individuelle Unterschiede hin.

Erwähnte Quellen:

S.D. Peterson et al.: Enhanced muscle blood flow with intermittent pneumatic compression of the lower leg during plantar flexion exercise and recovery, 2018; doi org/10.1152/japplphysiol.00784.2017

Shane N. Draper et al.: Effects of Intermittent Pneumatic Compression on Delayed Onset Muscle Soreness (DOMS) in Long Distance Runners, 2020 (LINK) https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7039487/

Hannah L. Stedge et al.: The Effects of Intermittent Pneumatic Compression on the Reduction of Exercise-Induced Muscle Damage in Endurance Athletes: A critically appraised Topic, 2021; doi 10.1123/jsr.2020-0364