Erschöpfung, Angstzustände oder sogar beginnende Depressionen - viele Frauen kämpfen mit diesen Problemen, die durch zunehmend hektische und komplizierte Lebensumstände ausgelöst werden.
Doch anscheinend sind manche viel anfälliger für Stress als andere. Einige Ärzt:innen und Heilpraktiker:innen behaupten, dass dahinter auch die Stoffwechselstörung HPU stecken könnte. Aber was genau ist das eigentlich? Gibt es das wirklich, und wie gehst du damit um? Wir klären die wichtigsten Fragen:
Was ist HPU?
Als Hämopyrollaktamurie, kurz HPU, bezeichnen Heilpraktiker:innen und einige Ärzt:innen eine angebliche angeborene Störung bei der Entgiftung des Körpers. Andere mögliche Bezeichnungen: KPU (Kryptopyrolurie) oder schlicht Pyrolurie.
Menschen mit HPU haben angeblich einen besonderen Stoffwechseltyp, bei dem die Entgiftung nicht so gut funktioniert wie bei anderen. Das macht Betroffene dieser Theorie nach angeblich anfälliger für toxische Umwelteinflüsse und/oder Stress. Es gibt allerdings keinerlei wissenschaftlichen Nachweis einer solchen spezifischen Störung. Betroffene sollen an einem Mangel an Zink, B-Vitaminen oder Mangan leiden. Ein solcher Mangel kann allerdings auch anderweitig begründet sein.
Das Robert Koch-Institut hat in einem umfassenden Artikel alle Ausprägungen dieser Fantasie-Diagnose zusammengefasst. Im Endeffekt bleibt: Es gibt keine wissenschaftlichen Grundlagen und keine ernstzunehmenden Daten; es ist also keine mit wissenschaftlichen oder medizinischen Methoden erfassbare Krankheit.
Warum und wird die angebliche Krankheit Hämopyrollaktamurie kritisiert?
Es scheint sie einfach nicht zu geben. Nur in der sogenannten integrativen Medizin und der Naturheilkunde ist das Interesse an dieser "Stoffwechselstörung" groß. Sonst herrscht unter Mediziner:innen eher eine skeptische bis kritische Haltung: Die meisten Ärztinnen und Ärzte sehen HPU bisher als Pseudo-Erkrankung an, vor allem, weil es kaum wissenschaftliche Forschung dazu gibt. "In den wissenschaftlichen Datenbanken und bei den großen hämatologischen Gesellschaften gibt es keine Beweise für dieses Phänomen", sagt der Hämatologe und Ernährungsmediziner Dr. Jann Arends vom Universitätsklinikum Freiburg.
So gibt es keine Studien, die belegen, dass Menschen mit mehr Hämopyrollaktam im Urin anfälliger für Erschöpfung sind. "Auch werden häufig Zahlen oder Fakten genannt, für die es keinerlei Belege gibt, zum Beispiel, dass zirka 10 Prozent aller Frauen und nur 1 Prozent der Männer unter HPU leiden."
Der Hämatologe fürchtet, dass Laien vorschnell bei jedem der sehr unspezifischen Symptome glauben, HPU zu haben und sich kostspieligen Therapien unterziehen. Weitere Gefahr: Die tatsächliche Ursache für die Beschwerden bleibt womöglich unentdeckt.
Welche Symptome hat HPU?
Keine, an der sich eindeutig eine Krankheit ablesen ließe. Es werden meist häufig vorkommende Beschwerden als "Symptome" ausgegeben. Gern wird gesagt, durch ihre "gestörte Entgiftung" hätten Betroffene es angeblich schwerer, mit den Problemen der heutigen Zeit fertig zu werden. In der HPU-Theorie gelangen sie schnell in eine Abwärtsspirale aus Stress und dessen negative Auswirkungen auf den Stoffwechsel. Als Symptome gelten dann vor allem:
- Angst- oder Schlafstörungen
- chronische Erschöpfung
- Depressionen
- Allergien oder Unverträglichkeiten
- Gewichtsschwankungen
- Probleme bei der Fruchtbarkeit und der Schwangerschaft
- Beeinträchtigungen der Schilddrüse oder der Nebennierenrinde
All diese Symptome können aber auch andere Ursachen haben oder auf einer Stressbelastung ganz ohne Stoffwechselstörung beruhen. Das abzuklären sollte dein Hauptinteresse sein, ehe du an fragwürdige Diagnosen glaubst oder dir eine Krankheit einreden lässt, die es so, wie gesagt, nicht gibt. Das sind frühe Anzeichen eines Burnouts.
Was soll ich bei angeblichen HPU-Symptomen tun?
Wenn jemand bei dir eine Hämopyrollaktamurie festgestellt zu haben meinst, solltest du vor allem eines tun: Die Praxis wechseln. Problematisch an diesen Symptomen ist, dass sie vor allem durch den Stress selbst und weniger durch irgendeine mangelnde Entgiftung ausgelöst werden. Nicht jeder, der gestresst ist, leidet gleich unter irgendeiner Krankheit.
Außerdem verbraucht der Körper bei allen Menschen mehr Nährstoffe wie Zink oder Vitamine, wenn er stärker gefordert wird. Ob in diesem Kreislauf aus Belastung und dem Mangel an diesen Nährstoffen die HPU-Störung eine echte Rolle spielt, ist bisher schwer zu bestimmen.
Deshalb sehen viele Mediziner:innen wie etwa Dr. Arends die Diagnose kritisch. Trotzdem ist es immer sinnvoll, bei diesen Symptomen die eigene Lebensweise zu überdenken und sich bestmöglich gegen den Alltagsstress zu wappnen.
Wie stärke ich meinen Stoffwechsel?
So viel stimmt immerhin: Um den Herausforderungen des Alltags körperlich und psychisch gewachsen zu sein, benötigst du einen funktionierenden und widerstandsfähigen Stoffwechsel. Wenn du dich ungewöhnlich gestresst und erschöpft fühlst oder die oben genannten Symptome bei dir erkennst, versuche es zuerst mit diesen 3 Schritten:
1. Lass ein Blutbild machen
Oft liegt bei gestressten Menschen ein Mangel an Spurenelementen wie Zink, B-Vitaminen oder Mangan vor. Lass deshalb bei einem Arzt oder einer Ärztin ein Abbild von den Mineralstoffen und Vitaminen in deinem Blut zu machen. Was dein Blutbild zudem noch über deine Gesundheit verrät. Danach kannst du mit Nahrungsergänzungsmitteln dagegen angehen. Doch bedenke: Eine Selbstmedikation mit einfachen Zinkpräparaten hat selten Erfolg. Die Nahrungsergänzung solltest du immer mit einem Experten oder einer Expertin absprechen, eine zu hohe Dosis an B-Vitaminen kann nämlich auch schaden, und Zink-Präparate dämpfen häufig die Aufnahme des Spurenelements Eisen. Richtig abgestimmt jedoch können sie helfen, dein 'Tief' zu überwinden.
2. Ändere deine Ernährung
Bevor du es mit Zusatzpräparaten versuchst, solltest du vielleicht anschauen, was du so jeden Tag isst und deine Ernährung optimieren. Je verarbeiteter die Lebensmittel sind, desto weniger Vitamine und Spurenelemente enthalten sie meistens. Koche deshalb möglichst viel selbst mit naturbelassenen Zutaten. Fahr außerdem deine Zufuhr an Zucker und einfachen Kohlenhydraten zurück, sie können den Stoffwechsel besonders belasten. Gifte wie Alkohol oder Nikotin reduziere oder streiche zunächst am besten komplett. Mit diesen Tipps schaffst du es endlich, mit dem Rauchen aufzuhören.
Falls du deine Ernährung gezielt umstellen möchtest, geht das mit dem Women's Health Ernährungscoaching. Damit erhältst du anhand deines Fitnesslevels und individuellen Wünschen einen speziell auf dich zugeschnittenen Ernährungsplan mit leckeren und gesunden Rezepten.
3. Überdenke deine Lebensweise
Gelegentlich gehetzt und erschöpft zu sein, ist ganz normal. Ist bei dir Stress aber Dauerzustand, solltest du dich bemühen, ihn zu reduzieren oder genug Ausgleich zu schaffen. Das können handyfreie Abende, eine Joggingrunde im Wald oder geräuschdämpfende Kopfhörer im Großraumbüro sein. Das hängt ganz von deinen individuellen Bedürfnissen ab. Auch immer wichtig: genügend und erholsamer Nachtschlaf. Beobachte, wann du dich gestresst oder überfordert fühlst und wann du dich ruhig und zufrieden fühlst. Eine Smartwatch, die deinen Blutdruck, Puls und deinen Schlaf protokolliert, kann dabei hilfreich sein. Wer seinen Stress herunterfährt, stärkt damit den gesamten Körper.
Mach dir keine Sorgen, wenn du dich mal gestresst oder erschöpft fühlst. Es ist wichtig, auf dich selbst zu achten, eine ausgewogene Ernährung zu haben und hinreichend Ausgleich vom stressigen Alltag zu finden. Egal, was man dir über HPU erzählt, mit einem gesunden Lebensstil kannst du sicher nichts falsch machen.