Viele Frauen erleben während der Wechseljahre eine deutliche Gewichtszunahme im Bauchbereich – das ist weithin bekannt. Doch auch jüngere Frauen kämpfen oft mit anhaltendem Bauchfett, das trotz regelmäßiger Bewegung und bewusster Ernährung nicht verschwindet.
Was den wenigsten bewusst ist: In den meisten Fällen stecken hormonelle Ungleichgewichte dahinter. Hier erfährst du, welche Hormone für das hartnäckige Bauchfett verantwortlich sein können und welche Schritte du unternehmen kannst, um deinen Hormonspiegel wieder ins Gleichgewicht zu bringen.
Was ist ein Hormonbauch?
Auch wenn der Begriff 'Hormonbauch' kein medizinischer Fachbegriff ist, ist er doch eine auch unter Ärzt:innen gängige Bezeichnung für hormonell bedingtes, nur schwer wieder abbaubares Bauchfett bei Frauen. Leider gilt die Regel: Nimmt man zu, dann vor allem am Bauch. Nimmt man ab, dann überall, am wenigsten jedoch beim Bauchumfang. Sad but true.
Das Problem des Hormonbauchs betrifft Frauen in den Wechseljahren, aber auch oft schon junge Frauen, die regelmäßig Sport treiben und sich weitestgehend gesund ernähren. Das weiß Expertin Kerstin Eickes aus jahrelanger Erfahrung als Hormoncoach.
Wie entsteht ein Hormonbauch?
"Meist steckt hinter einem Hormonbauch eine Kombination aus hormonellen Dysbalancen, falscher Ernährung und Stress, wobei die Ursachen sich gegenseitig bedingen und verstärken können", sagt die Beraterin für ganzheitliche Ernährung.
Zu den Hautursachen gehören diese Phänomene:
Östrogendominanz
Eine Östrogendominanz kann entstehen, wenn das Gleichgewicht zwischen den weiblichen Sexualhormonen Östrogen und Progesteron gestört ist und es zu einem Östrogen-Überschuss kommt, wie Studien zeigen. Da Progesteron wichtig ist, um Fett in Energie umzuwandeln, fällt der Abbau von Fett dann schwerer. Nach dem Absetzen der Pille kann dies zum Beispiel auftreten. Auf eine Östrogendominanz kannst du dich in einer gynäkologischen Praxis testen lassen oder erst einmal einen Home-Speichel-Test machen, z.B. von cerascreen. Wichtig bei allen Tests: "Ich empfehle, auch immer auf die körperlichen Symptome zu hören. Denn oft kommen Frauen zu mir mit 'guten' Werten, denen es aber miserabel geht."
Insulinresistenz
"Auch Blutzuckerspitzen begünstigen eine Östrogendominanz", erklärt Eickes, "Denn hohe Blutzuckerspiegel führen zu hoher Insulinausschüttung. Wenn das ständig passiert, kann es auf Dauer zu einer Insulinresistenz kommen. Die wiederum sorgt für Übergewicht und das begünstigt eine Östrogendominanz, da Fettgewebe Östrogene produziert. Umgekehrt kann eine Östrogendominanz Insulin daran hemmen, den Blutzucker angemessen zu regulieren." Zuckerhaltige Snacks und Softdrinks über den Tag verteilt sind gängige Verursacher von ständigen Blutzucker-Anstiegen (besser laut Studien: Protein-Snacks). Auch für die Messung der Blutzuckerwerte gibt es At-Home-Produkte.
Schilddrüsenunterfunktion
Doch das ist noch nicht das Ende der Hormon-Kaskade: "Eine Östrogendominanz kann zu Symptomen einer Schilddrüsenunterfunktion führen", so Hormoncoach Eickes, "Und ein Symptom einer Schilddrüsenunterfunktion ist eine Gewichtszunahme, oft im Bereich des Bauches. Bei einer Schilddrüsenunterfunktion verlangsamt sich der gesamte Stoffwechsel und es kann zu einem schlechteren Abbau der Östrogene in der Leber kommen, was wiederum auf das Konto einer Östrogendominanz einzahlt." Ob bei dir eine Schilddrüsenunterfunktion vorliegt, kannst du bei einem Hautarzt beziehungsweise einer Hautärztin oder in einer endokrinologischen Praxis mittels eines Blutbilds und per Ultraschall feststellen lassen.
Cortisolspiegel
Auch das Stresshormon Cortisol trägt Studien zufolge zum Entstehen eines Hormonbauches bei, denn es beeinflusst sowohl den Blutzucker als auch den Fettstoffwechsel. "Chronischer Stress ist der Hauptauslöser einer erhöhten Ausschüttung", erklärt Kerstin Eickes. Das Stresshormon kann zum Beispiel Heißhungerattacken auslösen, dadurch steigt der Blutzuckerspiegel, sodass es zu einer Mehr-Ausschüttung von Insulin kommt. Ist also dein Cortisolspiegel zu hoch, kann das auch die Entstehung von Bauchfett fördern.
"Meist löst das Ungleichgewicht eines Hormons eine ganze Kaskade an Folge-Entgleisungen aus, die in Summe dann zu einem Hormonbauch führen können", erklärt Hormonexpertin Eickes.
Was begünstigt einen Hormonbauch?
Stichwort Stresshormon: Nicht nur beruflicher Druck oder die Doppelbelastung durch Haushalt und Kinder verursachen Stress. "Frauen, die mit ihrer Figur unzufrieden sind oder unter einem Hormonbauch leiden, versucht oft durch exzessives Training, ständiges Kalorienzählen und aufwendig optimierte Ernährung ihren Bauchumfang zu reduzieren – und vergessen dabei, dass auch das den Körper stresst und Cortisol freisetzt, das die Fettverbrennung hemmt."
Anstatt deinen Körper mit häufigen langen Trainingseinheiten zu stressen, empfiehlt Eickes kurze Intervall-Trainingseinheiten mit Fokus auf den Muskelaufbau, denn Muskeln verbrennen Energie, selbst wenn du schläfst. Und anstatt mit langen Laufeinheiten deinen Körper zu verausgaben, geh lieber zügig spazieren. Auch das ist gesund für dein Herz-Kreislaufsystem, setzt aber weniger Stresshormone frei.
Zu wenig und schlechter Schlaf begünstigt Studien zufolge ebenfalls die Entstehung eines Hormonbauches. Denn Schlafmangel behindert nicht nur die Reparatur- und Regenerations-Prozesse des Körpers. "Durch Schlafmangel wird vermehrt das appetitanregende Hormon Ghrelin gebildet, ein Hormon, das Hunger auslöst, aber auch die Fettverbrennung hemmt und dadurch die Fettspeicher des Körpers vergrößert", so Buchautorin Eickes.
Und damit nicht genug: Der hormonelle Gegenspieler des Ghrelin, das Leptin, das unser Sättigungsgefühl reguliert, wird bei Schlafmangel weniger gebildet. Deshalb entwickelst du nach schlaflosen Nächten mehr Hunger und das Sättigungsgefühl tritt erst spät ein.
Was hilft gegen einen Hormonbauch?
Wenn du verstehst, wie ein Hormonbauch entsteht, bist du seiner Entstehung nicht hilflos ausgeliefert. Denn so erkennst du die Stellschrauben, an denen du drehen kannst, um dein Hormonsystem zu harmonisieren und den Bauchspeck wieder loszuwerden. Einige Maßnahmen sind:
1. Reichlich Bewegung
Du solltest regelmäßig Sport treiben, um Energiereserven zu verbrennen, aber ohne dich zu verausgaben, auch knackiges Muskeltraining gehört dazu.
2. Genug Erholung
Bei allem Einsatz ist auch Ruhe nötig. Das heißt zunächst: genügend Schlaf. Denke aber auch an regelmäßige Pausen im Alltag, um deinen Cortisolspiegel zu senken: "Es muss nicht gleich eine Meditation sein", sagt Eickes, "Aber immer mal wieder eine Minute tiefe Bauchatmung über den Tag verteilt hilft sehr effektiv gegen Stress."
3. Ausgewogene Ernährung
Eine notwendige Stellschraube ist deine Ernährung. "Ich rate meinen Patientinnen, lieber die Nährstoffe anstatt die Kalorien zu zählen", berichtet Eickes. Auch empfiehlt die Ernährungswissenschaftlerin nur 3 Mahlzeiten mit möglichst wenig einfachen Kohlenhydraten und stattdessen möglichst komplexen Kohlenhydraten (z.B. Vollkornprodukte, Nüsse, Haferflocken) und reichlich Ballaststoffen pro Tag zu essen, um den Blutzucker niedrig zu halten. "Ich rate, sich dreimal am Tag mit gesunden Lebensmitteln richtig satt zu essen, und dazwischen möglichst nicht zu snacken", sagt die Ernährungsberaterin.
4. Leber pflegen
"Ganz wichtig ist es, die Leber fit zu halten, sie ist die Fettverbrenn- und Entgiftungs-Zentrale", sagt Eickes. Oft geht ein Hormonbauch mit einer Fettleber einher. "Diese birgt nicht nur gesundheitliche Risiken, sie kann auch die Nahrung weniger gut verarbeiten und lagert sie bei einem Überangebot im Fettgewebe ab", so die Expertin. "Damit die Leber gesund und auf Hochtouren arbeiten kann, sind Essenspausen zwischen Mahlzeiten wichtig und ein reichhaltiges Nährstoffangebot." Hier findest du Lebensmittel mit hoher Nährstoffdichte. Iss möglichst frische Lebensmittel, wenig Fleisch und Wurst. Bitterstoffe helfen der Leber zu entgiften, gute Quellen dafür sind Ingwer, Radicchio und Artischocken. Auch Kreuzblütler wie Rosenkohl und Brokkoli helfen der Leber. Tipp: Bittertropfen nach dem Essen einnehmen.
Ist ein Hormonbauch gefährlich?
Nicht grundsätzlich, aber ab einem Taillenumfang von 88 cm haben Frauen erhöhte gesundheitliche Risiken, zum Beispiel an Diabetes Typ 2 zu erkranken, Herzkreislauferkrankungen zu entwickeln oder einen Schlag- oder Herzinfarkt zu erleiden, das belegen zahlreiche Studien. Tipp: Miss deinen Umfang mit einem digitalen Maßband, das ist am einfachsten und du kannst die Entwicklung deiner Werte langfristig verfolgen.
Besonders gefährlich ist das Unterbauchfett, das sogenannte viszerale Fett: "Es legt sich um die inneren Organe, produziert entzündliche Botenstoffe und gefährliche Fettsäuren, die es ins Blut abgibt", erklärt Kerstin Eickes. Das Tückische: Zu viel Unterbauchfettgewebe trifft auch schlanke Frauen, denen man den Bauch auf den ersten Blick gar nicht ansieht.
Woran erkenne ich, ob ich einen Hormonbauch habe?
Ob du betroffen bist und Gewicht reduzieren musst, ermittelst du am besten mithilfe der 'Waist to Hip Ratio' (WHR). "Durch dieses Verhältnis bestimmst du dein Körperfett-Verteilungsmuster und kannst feststellen, ob du bereits einen Hormonbauch entwickelt hast", erklärt Eickes.
Die Formel lautet:
Taillenumfang in cm: Hüftumfang in cm = WHR
Idealerweise sollte der Wert bei einer Frau kleiner als 0,85 sein, ansonsten besteht Handlungsbedarf. Liegt dein Wert um die 0,8 hast du bereits ein 2,85-fach erhöhtes Risiko für koronare Herzerkrankungen, z.B. Arteriosklerose.
Fazit: Gegen hormonell bedingtes Bauchfett solltest du unbedingt angehen
Es ist wichtig, hormonell bedingtes Bauchfett zu reduzieren – nicht aus kosmetischen Gründen, sondern wegen der ernsthaften Gesundheitsgefahren, die es mit sich bringt. Mit den richtigen Strategien für Bewegung und Ernährung kannst du dem effektiv entgegenwirken. Unsere Tipps unterstützen dich auf diesem Weg!
Erwähnte Quellen:
Seema Patel et al. (2018): Estrogen: The necessary evil for human health, and ways to tame it. Biomedicine & pharmacotherapy, https://doi.org/10.1016/j.biopha.2018.03.078, zuletzt abgerufen am 10.01.2025
Junyoung Yang et al. (2021): Changes in the glucose and insulin responses according to high-protein snacks for diabetic patients. Nutrition Research and Practice, https://doi.org/10.4162%2Fnrp.2021.15.1.54, zuletzt abgerufen am 10.01.2025
Jenny Pena Dias et al. (2020): The longitudinal association of changes in diurnal cortisol features with fasting glucose: MESA. Psychoneuroendocrinology, https://doi.org/10.1016/j.psyneuen.2020.104698, zuletzt abgerufen am 10.01.2025
S. Katherine Sweatt et al. (2018): Sleep Quality is Differentially Related to Adiposity in Adults. Psychoneuroendocrinology, https://doi.org/10.1016%2Fj.psyneuen.2018.07.024, zuletzt abgerufen am 10.01.2025
Saskia Hartwig et al. (2016): Anthropometric markers and their association with incident type 2 diabetes mellitus: which marker is best for prediction? Pooled analysis of four German population-based cohort studies and comparison with a nationwide cohort study. BMJ open, https://doi.org/10.1136/bmjopen-2015-009266, zuletzt abgerufen am 10.01.2025