Der Tag ist meist klar strukturiert. Der Morgen startet mit einer dampfenden Tasse Kaffee, bei der Arbeit führt der erste Weg direkt zur Kaffeemaschine, und gegen das Nachmittagstief hilft nur der Flat White aus dem Coffeeshop um die Ecke. Der Pro-Kopf-Verbrauch hierzulande liegt bei 167 Litern pro Jahr – damit ist Kaffee mit Abstand das beliebteste Heißgetränk der Deutschen.
Warum aber hangeln sich viele von Koffein-Kick zu Koffein-Kick, und ab der wievielten Tasse ist der Konsum bedenklich? Hat Kaffee wirklich so ein großes Suchtpotenzial, wie oft propagiert wird, und wieso fällt uns der Verzicht darauf so schwer? Fragen über Fragen, denen wir hier auf den Grund gehen wollen – ganz ohne Kaffeesatzleserei.
Warum Kaffee viel mehr ist als ein Getränk
Kaffee ist weit mehr als der morgendliche Muntermacher; seit Jahrhunderten hat er eine soziale und kulturelle Bedeutung. In vielen Kulturen ist das gemeinsame Kaffeetrinken ein Zeichen der Gastfreundschaft und der Verbundenheit. Das ist auch bei uns nicht anders: Wo trifft man sich mit der besten Freundin? Natürlich im Lieblingscafé. Wo tauscht man sich mal schnell mit Kollegen aus? Richtig, in der Kaffeeküche. Das Getränk scheint also das Bindeglied unserer Gesellschaft zu sein.
Überdies hat Kaffee auch eine lange Geschichte der wirtschaftlichen Bedeutung. Nach Erdöl ist Kaffee das zweitmeistgehandelte Rohprodukt der Welt; der Umsatz für das Jahr 2024 wird auf 428 Milliarden Euro geschätzt. Anbau, Ernte und Handel der Bohnen bieten weltweit Millionen Menschen Arbeitsplätze. Ganze Regionen sind von der Kaffeeproduktion abhängig. Die Anbauflächen belaufen sich weltweit auf über 12 Millionen Hektar; im Zeitraum 2023/2024 wurden mehr als 174 Millionen Säcke zu je 60 Kilo geerntet! Kaffee ist also in vielerlei Hinsicht fester Bestandteil unserer Gesellschaft.
Wie wirkt Kaffee im Körper?
Kaffee wirkt hauptsächlich aufgrund seines Koffeingehalts, welcher das zentrale Nervensystem stimuliert. Koffein blockiert die Wirkung des Neurotransmitters Adenosin im Gehirn, welches normalerweise beruhigend wirkt und das Einschlafen fördert. Durch die Blockierung dieses Effekts erhöht Koffein die Aktivität anderer Neurotransmitter wie Dopamin und Noradrenalin, was zu einer gesteigerten Wachsamkeit, Konzentration und verbesserten Stimmung führen kann. Die aufputschende Wirkung ist bekannt.
Wie sieht es mit den gesundheitlichen Vorteilen aus? Treibt dich Kaffee nur an, oder tut er dir sogar gut? Die Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit durch Koffein beruht auf verschiedenen Mechanismen, die sowohl die Ausdauer als auch die Kraftleistung beeinflussen können. Koffein kann beispielsweise die Freisetzung von Fettsäuren aus den Fettgeweben erhöhen. Diese freigesetzten Fettsäuren dienen als Brennstoff für die Muskeln während des Trainings, was durchaus zu einer erhöhten Ausdauerleistung führen kann. Dieser Effekt kann besonders bei Ausdauersportarten wie Laufen, Radfahren oder Schwimmen von Vorteil sein.
Wie Kaffee dich sogar dopen kann
Die Stimulierung des zentralen Nervensystems erhöht auch die Wachsamkeit. Dadurch fühlen sich Sportler während des Trainings wacher und konzentrierter, was wiederum die Leistungsfähigkeit verbessern kann. Koffein kann auch die Freisetzung von Calcium aus den Muskelzellen fördern, was die Muskelkontraktionen während des Trainings effizienter machen kann. Dies kann zu einer verbesserten Kraftleistung führen, insbesondere bei Kurzzeitbelastungen wie Sprinten oder Krafttraining.
Sportlern wird empfohlen, einen Kaffee oder Espresso etwa 60 Minuten vor dem Sport zu trinken. Um dafür zu sorgen, dass das Koffein besser wirkt, sollte man vor dem Training genügend Wasser trinken. Lange stand Kaffee im Verdacht, den Körper zu dehydrieren. Das wurde mittlerweile widerlegt. Kaffee nach dem Sport ist übrigens auch eine gute Idee, er kann zusätzlich die Regeneration der Muskeln fördern. Das gilt allerdings nur für schwarzen Kaffee oder Espresso, nicht für den zuckrigen Karamell-Macchiato.
Ist Kaffee nun gut oder schlecht?
All das klingt erst einmal ganz hervorragend. Während viele Studien die positiven Effekte von moderatem Kaffeekonsum auf die kognitive Funktion, die Stimmung, die sportliche Leistungsfähigkeit und sogar die Lebenserwartung hervorgehoben haben, gibt es jedoch auch Bedenken hinsichtlich des übermäßigen Konsums, der Schlafstörungen, Magenprobleme, Nervosität und Herzrasen verursachen kann.
Aber wie viel Kaffee ist zu viel? Diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten, denn nicht jeder Kaffee enthält die gleiche Koffeinmenge. Auch Bohne, Röstung und Art der Zubereitung beeinflussen den Koffeingehalt. Die Menge an Kaffee, die als unbedenklich angesehen wird, variiert zudem von Person zu Person, da jeder Mensch unterschiedlich auf Koffein reagiert. Einige können Filterkaffee, Espresso und Cappuccino nacheinander trinken, ohne negative Auswirkungen zu spüren, während andere schon nach einem einzigen Espresso Herzrasen bekommen.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt Kaffee nur in moderaten Mengen von 3 bis 4 Tassen pro Tag. Laut der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit gilt: Pro Tag sollten es nicht mehr als 400 Milligramm Koffein sein. Eine Tasse Filterkaffee enthält beispielsweise etwa 90 Milligramm Koffein, ein Espresso 80. Bedeutet: Bei 4 bis 5 Tassen pro Tag besteht erst einmal kein Grund zur Sorge.
Wie hoch ist das Suchtpotenzial von Kaffee?
Die wenigsten teilen sich ihren Kaffee bewusst ein. Wenn ein schneller Energieschub gefragt ist, ist das Getränk meist erste Wahl. Aber warum machst du stattdessen nicht lieber einen kurzen Spaziergang? Das verbessert die Durchblutung und den Sauerstofffluss im Körper, was ebenfalls zu einem Energieschub führt.
Die Frage, die also im Raum steht, ist: Kannst du gar nicht anders, weil Kaffee süchtig macht? Dr. Wolfgang Reuter, Gesundheitsexperte der Deutschen Krankenversicherung, beruhigt: "Eine süchtig machende Droge ist Kaffee zwar nicht. Aber wer regelmäßig Kaffee trinkt, dessen Körper gewöhnt sich an die Koffeinzufuhr." Im Umkehrschluss heißt das: Der Körper reagiert, wenn du die Menge stark reduzierst oder sogar komplett auf Kaffee verzichtest.
Bekomme ich bei Kaffee-Verzicht auch Entzugserscheinungen?
Wer das Aufhören schon einmal versucht hat, weiß: Starke Kopfschmerzen gehören zu den häufigsten Entzugssymptomen. Sie treten oft aufgrund der erweiterten Blutgefäße im Gehirn auf, die normalerweise durch Koffein verengt werden. Da Koffein das zentrale Nervensystem stimuliert, kann der plötzliche Verzicht auch zu vermehrter Müdigkeit und Schläfrigkeit führen. Auch Reizbarkeit kann mit einer starken Reduzierung der gewohnten Dosis einhergehen, da das Koffein die Freisetzung von Neurotransmittern wie Dopamin und Serotonin beeinflusst, welche für Stimmung und allgemeines Wohlbefinden zuständig sind.
Wer jetzt aber denkt, er müsste penibel auf die Anzahl der getrunkenen Cappuccini achten, um keine Entzugserscheinungen zu bekommen, darf aufatmen. Die meisten dieser Symptome sind nur vorübergehend und klingen innerhalb weniger Tage ab, wenn der Körper sich an die verminderte Koffeinaufnahme angepasst hat. Wenn du dem Kaffee abschwören willst, solltest du den Konsum dennoch nicht von heute auf morgen komplett einstellen, sondern die Menge der getrunkenen Tassen allmählich reduzieren. Das minimiert die Entzugssymptome deutlich.
Kaffee macht tatsächlich glücklich
Bei all den Vor- und Nachteilen darf ein wichtiger Faktor nicht unterschätzt werden: Kaffeetrinken macht glücklich. Tchibo hat für seinen Kaffeereport 2023 insgesamt 1500 Kaffeetrinker zwischen 18 und 75 Jahren nach ihrem Konsumverhalten gefragt. Die Beweggründe sind hauptsächlich Genussgründe, am häufigsten genannt wurden:
- Kaffee macht glücklich (28,8 Prozent)
- Kaffeetrinken ist ein entspannender Me-Moment (44,5 Prozent)
- Kaffeetrinken ist Teil meiner täglichen Struktur (28 Prozent)
- Kaffeetrinken ist eine gesellige Angelegenheit (28 Prozent)
Daher überrascht es auch nicht, dass sich jeder Dritte nicht vorstellen kann, auf seinen geliebten Kaffee zu verzichten. Dagegen spricht auch nichts, denn wie so oft im Leben gilt: In Maßen ist alles erlaubt. Auch Kaffee.
Was tun, wenn du zu viel Kaffee trinkst?
Weil jeder Kaffee trinkt und er so leicht verfügbar ist, stellt ihn niemand wirklich in Frage. Du schon? Beobachtest du bei dir gar einen kritischen Konsum? Diese 3 Strategien helfen dir, die Koffeindosis schlau zu reduzieren:
Neue Routine finden Ersetze deine Kaffeepausen durch neue, gesunde Gewohnheiten. Wie wäre es mit einem kurzen Spaziergang, lesen, oder schalte doch zum Entspannen deinen Lieblings-Podcast an.
Kein kalter Entzug Willst du mit dem Kaffeetrinken aufhören, reduziere langsam. Der Körper ist an das Koffein gewöhnt und reagiert oft mit Kopfschmerzen, wenn du von heute auf morgen aufhörst.
Schlau reduzieren Beschränke den Koffeinkonsum auf ein kleines Zeitfenster (zum Beispiel) bis zum Mittag, um deinen Schlaf zu schützen. Durch die zeitliche Begrenzung reduzierst du dein Pensum automatisch.
Kaffee ist nicht ohne Grund so beliebt, er bietet viele Vorteile, gesundheitlich wie gesellschaftlich, birgt aber auch Risiken. Mit unserem Guide findest du das richtige Maß und einen einfachen Weg zu weniger Konsum, wenn er dir zu hoch erscheint. Egal, wie viel Kaffee du trinkst: Versuche jede Tasse zu genießen!