Ich liebe es, durch Tiktok zu scrollen und mich berieseln zu lassen. Während einige Videos dort nur Spott hervorrufen, bin ich durchaus offen dafür, unter den witzigen Lip Syncs und gesunden Morgenroutinen neue Trends zu entdecken. Aber als ich bei einem Video lande, das mir die Vorteile eines von KI erstellten personalisierten Essensplans anpreist, beginnen meine Antennen zu zucken …
Vielleicht waren es die Warnungen von KI-Architekten, dass die globale Auswirkung ihrer Erfindungen so schwerwiegend sein könnte wie die Covid-Pandemie. Oder auch die Angst davor, dass mein Beruf als Gesundheitsjournalistin durch künstliche Intelligenz überflüssig gemacht wird. Aber tief in mir glaube ich zu wissen, was mein Misstrauen wirklich hervorrief: Als ich auf Tiktok einer Frau dabei zusehe, wie sie ihren Followern begeistert von dem angeblich "endometriosefreundlichen und hormonausgleichenden Food-Plan" vorschwärmt, den die KI-Plattform ChatGPT für sie generiert hat, wird mir klar, dass ein neuer Wundermittel-Trend geboren wurde. Doch wenn ich nach Selleriesaft-Kur, Superfood-Hype und Keto-Kult eins gelernt habe, dann ist es das: Wenn etwas zu schön klingt, um wahr zu sein, ist es das meistens auch.
Und doch finde ich die Idee, die Essensplanung outzusourcen, ziemlich verlockend. Deshalb lade ich OpenAI herunter, um herauszufinden: Sind ChatGPT-erzeugte Essenspläne tatsächlich die Zukunft unserer Ernährung? Man muss kein Genie sein, um zu verstehen, warum dieser Trend gerade so durch die Decke geht: Das Ausmaß an Ernährungsratschlägen im Internet ist inzwischen so riesig und dabei so überfordernd und widersprüchlich, dass verlässliche Informationen nur schwer zu finden sind. Und da sich nicht alle einen eigenen Ernährungsberater leisten können, ist der Bedarf an kostenlosem, aber vermeintlich fundiertem Wissen enorm.
Eine Welt von (teller-)großen Erwartungen
Und genau hier kommt ChatGPT ins Spiel. Es handelt sich um einen KI-Chatbot, der jegliche Fragen beantworten kann, indem er das Internet durchforstet und Informationen extrahiert. Seine mittlerweile rund 180 Millionen Nutzer beauftragen ihn mit allem – von Übersetzungen über Referate für die Schule bis hin zum Schreiben geschäftlicher E-Mails. Alles harmlos. Doch sein Einsatz bei Themen, die normalerweise eine medizinische Qualifikation erfordern, ist mit Vorsicht zu genießen.
Für meinen Essensplan gibt es Sachen, die nicht verhandelbar sind – ich habe seit einem Jahrzehnt keine Milchprodukte mehr gegessen und vertrage keinen Fisch. Auch muss ich genug essen, um meine Sportroutine zu unterstützen: eine Mischung aus schwerem Krafttraining, Mittelstreckenlauf und Pilates – neben meinen 10 000 Schritten am Tag. Ich probiere verschiedene Variationen, bis ich eine Formulierung ("Prompting") finde, die funktioniert. "Erstelle mir einen wöchentlichen Essensplan, der für eine Person geeignet ist, die regelmäßig trainiert. Er muss Pre-Training-Snacks und Desserts beinhalten. Ich ernähre mich frei von Milchprodukten und esse keinen Fisch, aber ich mag es, wenn meine Mahlzeiten günstig und nährstoffreich sind", tippe ich ein.
Nur Sekunden später wird mir eine Liste mit vorgeschlagenen Mahlzeiten präsentiert, die durchaus ansprechend, aber ehrlich gesagt auch nicht sonderlich originell sind: Es gibt Avocado auf Toast zum Frühstück, Quinoa-Salat zum Mittagessen und Truthahn-Chili zum Abendbrot, zusätzlich Reiswaffeln mit Hummus als Snack und Kokosjogurt zum Dessert.
KI als Küchen-Intelligenz? Auf den ersten Blick nicht schlecht
Es hört sich definitiv gesund an, aber um rauszufinden, ob das wirklich so ist, schicke ich meinen Plan an die Ernährungsberaterin Jennifer Medhurst. Die ist zunächst nicht abgeneigt von dem, was ChatGPT generiert hat. "Ich glaube, es ist dahingehend ein guter Essensplan, dass er viel frisches Gemüse, Vollkorn und viel pflanzliche Vielfalt enthält – was die Basis einer vorteilhaften Ernährungsweise ist", sagt sie. Allerdings glaubt sie nicht daran, dass das auf Dauer durchzuhalten ist: "Ich wäre wirklich beeindruckt, wenn jemand zu mir in die Klinik kommen und sagen würde, dass er all das hier täglich wirklich isst."
Aus Zweifeln entstehen Nachfragen, aus den Antworten noch mehr Zweifel
Als ich ChatGPT jedoch bitte, mir die gesamten Rezepte und eine dazu passende Einkaufsliste zu schicken, nehmen die Dinge eine besorgniserregende Wendung. Denn ich stelle fest: Die Portionen sind winzig. Das Frühstück besteht aus einer Scheibe Brot; ein Mittagsrezept für einen Kichererbsen-Salat verlangt nach weniger als einer halben Dose Bohnen, gemischt mit 5 Cherrytomaten, einer viertel Gurke und einer Handvoll Salat.
Als ich eine Kalorien-Tracking-App auf meinem Handy herunterlade, bestätigt das Ergebnis meine Befürchtungen: Der Essensplan kommt nur auf 1500 Kalorien pro Tag. Aktiven Frauen wird jedoch empfohlen, 2200 bis 2400 Kalorien pro Tag zu sich zu nehmen, also ist diese Empfehlung viel zu niedrig. Und wenn ich die KI darum bitte, den Essensplan an meine Größe und mein Gewicht anzupassen, sagt ChatGPT mir, ich solle meine Portionsgrößen noch weiter verringern – unglaublich! Am Ende kommt nur noch der lapidare Hinweis: "Wenn du das Gefühl hast, du brauchst mehr Essen, um dein Training voranzutreiben, kannst du die Größe der Portionen leicht erhöhen." Aber wenn ich dem Chatbot dann sage, dass ich mehr Kalorien brauche, sind die Empfehlungen merkwürdig vereinfacht: Er bietet mir zum Beispiel eine zusätzliche Scheibe Toast an oder empfiehlt, dass ich große Süßkartoffeln nehme statt der normalen.
Während Gewichtsverlust für viele Menschen mit Sicherheit ein erstrebenswertes Ziel ist, habe ich dem Chatbot jedoch weder gesagt, dass ich eine kalorienarme Ernährungsweise möchte, noch, dass ich Fett verlieren wolle. Tatsächlich habe ich ihm sogar ausdrücklich gesagt, dass ich genügend Kalorien zu mir nehmen möchte, damit ich ausreichend Power für mein tägliches intensives Training habe. Dass mir die künstliche Intelligenz dennoch einen Essensplan erstellt hat, der mich in ein tägliches Kaloriendefizit gebracht hätte, macht mir ernsthaft Sorgen.
Wer der KI uneingeschränkt vertraut, lebt ungesund
Bei näherer Betrachtung des Essensplans wird mir klar, dass es nicht nur die Portionsgrößen sind, die mir ein schlechtes Gefühl geben. Auch die Auswahl ist auf Dauer nicht gesund und schon gar nicht alltagstauglich, denn auf alles, was Spaß macht, wird verzichtet: Es gibt zum Beispiel keine Pasta oder Kartoffeln. Eiscreme oder Snacks suche ich auf dem Plan ebenfalls vergebens, obwohl solche Lebensmittel – wenn sie in Maßen konsumiert werden – durchaus ihren Platz in einer ausgewogenen Ernährung haben.
Es kommt mir so vor, als wäre dieser Plan in einer anderen Zeit geschrieben worden – in der, als Lebensmittel noch "clean" oder "dirty" waren. Das hat mit aktuellen Forschungsergebnissen jedoch nichts zu tun. Und ich weiß das sehr gut, denn es gab durchaus eine Zeit in meinem Leben, in der ich meine Kalorien gewissenhaft gezählt habe und mich die Zahl auf dem Bildschirm zu der Annahme verleitet hat, dass weniger gleich besser sei. Erst nachdem ich an einem Punkt angekommen war, an dem ich den Lebensmitteln, die ich esse, keinen Wert mehr zuschrieb, erkannte ich, dass dieser Ansatz gefährlich nahe an das herankam, was Ernährungswissenschaftler ein gestörtes Essverhalten nennen. Expertin Medhurst bestätigt diesen Eindruck: "Der Plan ist eine sehr idealisierte Version einer gesunden Ernährungsweise, welche in Anbetracht der geringen Kalorienzufuhr noch dazu sehr einschränkend ist."
Wie anfällig künstliche Intelligenz für Vorurteile und Stereotype ist
Natürlich ist Ernährung nicht der einzige Bereich, in dem KI unsere Definition von "gesund" beeinflusst. Wenn man die künstliche Intelligenz beispielsweise darum bittet, Bilder von fitten und gesunden Menschen zu erstellen, werden einem ausschließlich generierte Bilder von Menschen mit muskulösen Körpern und wenig Körperfett angezeigt. Eine alarmierende Studie der Johns Hopkins University aus dem Jahr 2022 hat gezeigt, dass KI sexistische und sogar rassistische Stereotype verstärkt.
Das Problem: Chatbots wie ChatGPT beziehen ihre Informationen aus dem Netz und kreieren daraus Empfehlungen. Ist das Netz voll voreingenommener Kommentare oder Artikel, beeinflusst es das Ergebnis, das ChatGPT ausspuckt. Megha Gupta, Leiterin der Abteilung künstliche Intelligenz bei Wysa, einem Chatbot für psychische Gesundheit, weiß um diese Gefahr: "Um dies zu umgehen, muss man die künstliche Intelligenz während der Trainingsphase explizit weg von diesen negativen Ideen entwickeln." Und das kann nur ein echter Mensch. "Nur er ist in der Lage, ein ausgewogenes Urteil zu fällen."
Die KI scheitert an der Psychologie
Ein weiterer entscheidender Faktor, den KI nicht beherrscht, ist die psychologische Komponente. "Anders als ein menschlicher Experte wird die KI psychologische Faktoren nicht erkennen können", erklärt Gesundheitspsychologin Dr. Sula Windgassen. "Wenn jemand zum Beispiel eine Essstörung hat oder am Reizdarmsyndrom leidet, hat er oder sie möglicherweise große Angst vor dem Essen und will daher vielleicht die Nahrungsaufnahme einschränken." Verlässt er sich nur auf einen KI-generierten Ernährungsplan, werden die psychischen Probleme nicht betrachtet – und können sich sogar verschlimmern. "Sichere Ernährungspläne kann bis jetzt keine KI erstellen", so Windgassen weiter.
Expertin Medhurst ergänzt: "Wenn diese Ernährungspläne Menschen, die keinen Zugang zu einem Ernährungsberater haben, dabei helfen, sich mit den Grundlagen gesunder Ernährung vertraut zu machen, ist das grundsätzlich positiv." Man sollte sich jedoch immer im Klaren darüber sein, dass KI-generierte Essenspläne nicht von Experten erstellt werden. Medhurst: "Man kann sie als Inspiration nutzen; als der Weisheit letzter Schluss darf man sie jedoch nicht nehmen. Gerade Menschen mit Essstörungen sollten sich nicht auf künstliche Intelligenz verlassen, sondern sich an menschliche Experten wenden."
Der Trend, sich Food-Pläne von ChatGPT erstellen zu lassen, ist eine zweischneidige Sache: Einerseits können Unerfahrene sich so einige wichtige Grundlagen für ihre Ernährung aneignen. Andererseits bleiben die KI-Pläne in ihrer inhaltlichen Qualität und ihrer Spezifität weiter hinter dem zurück, was von Expertinnen erstellte Pläne liefern.