Olympia-Star Alica Schmidt im Interview

Interview Alica Schmidt
Olympia-Star Alica Schmidt: "Ich gebe in jedem Training mein Bestes"

Veröffentlicht am 18.06.2024
Alica Schmidt
Foto: Vitamin Well

Bei Alica läuft es in dieser Saison so richtig rund: Die Leichtathletin ist auf ihrer Paradestrecke, den 400 Metern, so schnell wie nie, sie hat tolle Modeljobs, Werbekampagnen und als @alicasmd mittlerweile mehr als 5 Millionen Follower auf Instagram.

Und nun stehen die Olympischen Spiele in Paris vor der Tür – ein Lebenstraum für Alica, dort an den Start zu gehen. Und ein Grund für uns, sie zum Interview zu treffen.

Alica, ist Olympia anders als andere Turniere?

Ja, man kann es überhaupt nicht mit irgendeinem anderen Wettkampf vergleichen. Mir war es auch lange nicht so bewusst, dass der Unterschied zu einer Weltmeisterschaft doch so groß ist. Es kommen ja beide Male die Besten der Welt zusammen, aber bei Olympia ist jede olympische Sportart vor Ort, man wohnt mit den Athleten im gleichen Dorf, die alle das Gleiche tun, die alle ihrer Leidenschaft nachgehen. Das war bei Olympia in Tokio 2020 schon wahnsinnig inspirierend, das möchte ich unbedingt noch einmal miterleben. Vor allem dieses Mal mit Zuschauern! Olympia gibt es nur alle 4 Jahre, daher ist dieses Jahr besonders wichtig, auf diesen Höhepunkt habe ich konstant hingearbeitet.

Wie sehen typische Trainings vor dem Wettkampf aus?

Ich nehme die Intensität etwas raus, um erholt an den Start zu gehen. Trotzdem trainiere ich täglich. Grundsätzlich ist eine typische Trainingswoche extrem abwechslungsreich. Ich mache natürlich Sprints, aber auch Sprintausdauer, Kraft- und Kraftausdauertraining, Tempoläufe, Sprünge. Jeder Tag sieht etwas anders aus, wiederholt sich aber von Woche zu Woche, es werden immer die gleichen Bausteine abgearbeitet.

Verbringst du viel Zeit auf der Bahn?

Ja! Eine typische Intervall-Einheit geht über 3 Minuten mit je 90 Sekunden Pause, das alles wiederhole ich rund 8-mal. Insgesamt kommen da einige Laufkilometer zusammen. Und auf der Bahn trainiere ich zudem auch Starts und Sprünge.

Wie relevant ist das Krafttraining?

Das hat einen sehr hohen Stellenwert, teilweise mache ich 4 bis 5 Einheiten Kraft pro Woche. Der Fokus liegt dabei auf den Beinen, aber ich mache auch Oberkörpertraining und viel für die Rumpfmuskulatur. Jede Muskelgruppe wird abgedeckt. Meine liebste Übung ist immer die, bei der ich mich am meisten entwickele und viele Fortschritte sehe. Mein All-time-Favourite: Hip Thrusts, die kann ich gut und schaffe viel Gewicht.

Je mehr du trainierst, desto schneller musst du dich erholen. Wie machst du das?

Es ist superwichtig, die Pausen gut zu nutzen. Der Job "Athletin" ist nicht mit dem Training erledigt. Ich muss alles darauf abstimmen, um im nächsten Training wieder gut zu performen. Für mich funktioniert es am besten, wenn ich mich in den Lymphomaten lege oder ein Eisbad mache, zusätzlich gehe ich zur Physiotherapie. Direkt nach dem Training trinke ich einen Shake, um neue Energie zu tanken. Und auf ausreichend Schlaf achte ich genau. Ich brauche in intensiven Trainingswochen mindestens 9 Stunden, um wirklich erholt zu sein.

Verfolgst du eine spezielle Ernährung?

Ich verbiete mir nichts, aber ich esse sehr gesund. Mein Tag beginnt mit einem großen Frühstück, damit ich Energie fürs Training habe. Meist esse ich Porridge, Kohlenhydrate sind richtig wichtig. Im Training habe ich einen Snack dabei, weil manche Einheiten 4 Stunden dauern. Nach einem anstrengenden Training bin ich total am Ende und brauche etwas leicht Verdauliches. Mein Lieblingsshake besteht aus Proteinpulver, Banane und Erdnussbutter, alles mit Mandelmilch gemixt. Später am Tag esse ich 2 große, ausgewogene und herzhafte Mahlzeiten, die immer aus Kohlenhydraten, guten Fetten und Proteinen bestehen.

Hast du in der Off-Season dann wirklich frei?

Ja, aber nur kurz. Nach dem letzten Rennen fahre ich sofort in den Urlaub. Das bringt Erholung und neue Motivation. Eine Saison ist körperlich, aber auch mental wahnsinnig anstrengend, deswegen brauche ich den kompletten Reset. Es kribbelt aber schnell wieder in den Füßen, dann gehe ich laufen und fange mit den Basics an. Die Einheiten sind jedoch nicht spezifisch. Nach 4 Wochen steht wieder zielgerichtetes Training an, um das hohe Level halten zu können.

Kannst du den Druck ausblenden und den besonderen Spirit genießen?

Das ist die Kunst. In Tokio war ich sehr jung und nur als Ersatzläuferin dabei. Trotzdem war es sehr wichtig, diese Erfahrungen zu sammeln, zu wissen, was jetzt auf mich zukommt, und nicht überfordert zu sein. Was mir geholfen hat: alles zu visualisieren. Ich setze mich jeden Tag für ein paar Minuten hin und gehe für mich durch, was auf mich zukommt, was ich erreichen möchte. In welcher Situation muss ich wie handeln. Und so habe ich das Gefühl, dass nichts Neues passieren kann, was mich aus der Bahn wirft – und ich es tatsächlich genießen kann.

Bist du gar nicht mehr nervös?

Doch! Ohne Nervosität funktioniert es nicht, die gehört dazu. Wenn ich an einen Wettkampf rangehe und nicht nervös bin, wird er nicht gut. Ich halte mir vor Augen, dass ich in der Vorbereitung alles erdenklich Mögliche getan habe, um an diesem Tag topfit zu sein. Und wenn es dann nicht klappt, soll es so sein, denn ich hätte nichts besser machen können. Früher oder später kommt der Zeitpunkt, wo es sich auszahlen wird. Daher gehe ich mit Druck positiv um.

Wie motivierst du dich immer wieder aufs Neue?

Meine größte Motivation ist, an meine Ziele zu denken. Und an meine Trainingspartner. Die Konkurrenz schläft nicht, die arbeiten genauso hart wie ich. Zudem trainieren wir in der Gruppe, das ist immer schön, es ist eher wie ein Treffen mit Freunden, wo wir unserer Leidenschaft nachgehen und am gleichen Ziel arbeiten. Daher gibt es selten Tage, an denen ich nicht motiviert bin.

Apropos Konkurrenz: Gibt’s auf dem hohen Niveau eher Support oder Neid unter den Frauen?

Wir sind natürlich in gewisser Weise Konkurrentinnen, andererseits aber auch Teamkolleginnen, wenn wir in der Staffel laufen. Wir kennen uns alle lange, sehen uns teilweise tagtäglich, da entstehen Freundschaften. Natürlich merkt man auch einen Konkurrenzkampf – und das ist auch wichtig. Im Training pushen wir uns dadurch, jede möchte gewinnen, das ist ein konstantes Batteln, das uns alle besser macht. Aber danach geben wir uns die Hand und keine ist sauer oder neidisch auf die andere.

Und in einem Rennen?

Klar, ich möchte gewinnen und gönne es mir am meisten. Aber ich sehe, wie hart die anderen trainieren, und ich weiß, was in einem vorgeht, wenn man sein Ziel erreicht, daher freue ich mich auch für andere.

Du hast mittlerweile mehr als 5 Millionen Follower – welchen Stellenwert hat das für dich?

Social Media macht mir wirklich viel Spaß. Ich versuche zwar mittlerweile ein paar Dinge abzugeben, damit ich mich voll und ganz auf den Sport konzentrieren kann. Aber ich mache mir auch überhaupt keinen Stress. Ich glaube, es ist ein Fehler, sich unter Druck zu setzen, immer den besten Content liefern zu wollen und jeden Tag aktiv zu sein. Niemand fühlt sich jeden Tag gleich gut und auch ich möchte nicht ständig vor der Kamera stehen. Deswegen bin ich nach Lust und Laune aktiv, so bleibt es für mich Spaß, die Menschen in mein Leben mitzunehmen. Sonst könnte ich nicht authentisch sein. Authentizität ist meiner Meinung nach wirklich wichtig, um erfolgreich auf Social Media zu sein.

Wirst du häufiger erkannt und angesprochen?

Ja, ich merke von Jahr zu Jahr, dass ich immer mehr angesprochen werde. Und es freut mich sehr, wenn ich die Menschen hinter den Profilen treffe. Zum Teil bin ich mit meinen Followern seit Jahren in Kontakt und es ist immer schön, jemanden im echten Leben kennenzulernen.

Schnelligkeit zieht sich durch dein Leben. Was machst du bewusst ganz langsam?

Ich genieße es, wenn ich einen Slow Morning haben kann. An Tagen, an denen ich mich nicht früh stressen und um 7 Uhr das Haus verlassen muss, nehme ich mir richtig viel Zeit, um entspannt in den Tag zu finden, Tee zu machen, gut zu frühstücken und ganz in Ruhe nur zu sitzen.

Wenn du nicht so schnell laufen würdest, was wäre dann deine Leidenschaft?

Auf jeden Fall eine andere Sportart. Ich habe sehr viel ausprobiert: Judo, Tischtennis, Klettern, Turnen, Tanzen. Beim Tanzen wäre ich wahrscheinlich geblieben, das habe ich am meisten verfolgt, es hat extrem viel Spaß gemacht. Irgendwann musste ich mich entscheiden, was ich professionell machen möchte, da fiel die Wahl auf die Leichtathletik. Zum Glück! Ich mache das alles immer noch mit viel Herzblut. Meine Aufmerksamkeit liegt zu 100 Prozent auf dem Sport, ich möchte aus jedem Training und jedem Wettkampf rausgehen und sagen können: "Mehr konnte ich heute nicht geben. Wenn es nicht reicht, soll es so sein. Beim nächsten Mal gebe ich wieder alles."

Alica Schmidt lebt vor, was es heißt, alles für den Sport zu geben. Genau wie du! Und genau darum drücken wir ihr alle bei Olympia die Daumen!