Hunderte von Diäten und spezielle Ernährungsformen versprechen Unterstützung auf dem Weg zur Wunschfigur. Kuren mit schön klingenden Namen wie Kensington-Diät, Logi-Methode, Pritikin-Diät oder Schrothkur verheißen wahre Abnehmwunder. Doch eins haben alle gemeinsam: Alle wissen, dass trotz der vielen angebotenen Methoden eine langfristige Gewichtsabnahme und ein dauerhaftes Halten des neuen Gewichts fast nie erreicht wird. Studien sprechen von lediglich 1 bis 3 Prozent der Abnehmwilligen, denen das gelingt!
Das lässt eigentlich nur den Schluss zu, dass mit den gängigen Gewichtsreduktionsprogrammen etwas nicht stimmt und dass eventuell für das Abnehmen wichtige Faktoren nicht berücksichtigt werden. Denn werden Gewichtsprobleme etwa durch Medikamente verursacht, musst du anders an die Pfunde rangehen als bei einer Störung der Darmflora. Leidest du unter hormonellen Veränderungen, sind andere Ansätze zielführend als bei chronischen Entzündungen oder einem Mangel an stoffwechselaktiven Mikronährstoffen.
Michaela Axt-Gadermann, Professorin für Gesundheitsförderung an der Hochschule Coburg, beschäftigt sich seit Jahren mit dem Thema und hat für ihr Buch „Der Abnehmkompass“ Hunderte Studien ausgewertet und daraus ihre eigene Methode entwickelt. Sie weiß: Es geht um mehr als nur Verzicht beim Essen, und in den wenigsten Fällen sind mangelnde Willensstärke und Maßlosigkeit der Hauptgrund für anhängliche Kilos. Das liegt daran, dass jeder Mensch ein individuelles (Über-)Gewichtsprofil besitzt – und daher beim Abnehmen ganz individuelle, unterschiedliche Aspekte berücksichtigt werden müssen. Wir erklären dir, was wichtig ist.
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Abnehmen muss sein, wie einen Kaschmirpulli zu tragen
Wer abnehmen möchte, beginnt oft mit einer Ernährungsumstellung. Doch welche Ernährungsform ist für dich persönlich die richtige? Die, die passt wie das Lieblingskleidungsstück! Sie darf dich im Alltag nicht zu stark einengen, muss zu fast allen Anlässen passen, und im Idealfall möchtest du darauf nie mehr verzichten. Auf die neue Ernährungsform übertragen heißt das, sie sollte sich gut in den beruflichen und privaten Alltag integrieren lassen. Die neue Ernährung sollte so viel Freiheit bieten, dass du an Anlässen wie Geburtstagsfeiern, Einladungen oder Restaurantbesuchen weitgehend einschränkungsfrei teilnehmen kannst.
Im Idealfall magst du dein neues Essverhalten so sehr, dass du es dauerhaft beibehalten kannst. Das ist wichtig. Denn fast jede schafft es, sich für eine kurze Zeit durch eine spezielle Ernährung ohne geschmackliche Highlights zu kämpfen und so an Gewicht zu verlieren. Aber nur wenn das Ernährungskonzept individuell auf dich und deinen Lebensstil zugeschnitten ist, stehen die Chancen gut, dass der Jo-Jo-Effekt ausbleibt. Also schauen wir uns doch mal an, worauf du generell achten solltest – egal für welche Ernährungsform du dich entscheidest.

Mit der passenden Ernährungsform stellt ein Restaurantbesuch kein Hindernis dar
Spot on: Die Makronährstoffe
Eiweiße, Kohlenhydrate und Fette stellen das Grundgerüst deiner Ernährung dar. Tatsächlich gibt es zu diesen 3 Makronährstoffen spannende Erkenntnisse, die bei der Gewichtsreduktion helfen. Der Körper braucht alle 3 in unterschiedlichen Mengen, um gut zu funktionieren.
Laut Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung sollte eine vollwertige Mischkost 55 bis 60 Prozent der täglichen Energiezufuhr durch Kohlenhydrate abdecken, etwa 30 Prozent durch Fette und 10 bis 15 Prozent durch Eiweiß. Doch Hunger und Appetit machen dir oft einen Strich durch diese Rechnung, denn sie sind die größten Feinde jedes Abnehmvorhabens.
Wie wirken sich die Grundnährstoffe auf das Abnehmen aus?
Welche Nährstoffe in welcher Form und Menge? Das ist eine der ganz entscheidenden Fragen bei einer ausbalancierten Ernährung. Diese Merkmale sind wichtig:
Kohlenhydrate
Fakt ist: Der Körper braucht Kohlenhydrate. Das ist aber leider kein Freibrief für Keks, Kuchen und Co. Die guten Mehrfachzuckerverbindungen finden sich nicht in Süßigkeiten, sondern in Vollkornbrot, Haferflocken, Mandeln und Gemüse, wie Kartoffeln oder Hülsenfrüchten.
Fette
Gesättigte Fette sollten nur in geringen Mengen verzehrt werden. Sie sind enthalten in Butter, Milch, Fleisch, Wurst, Käse. Einfach ungesättigte Fette wie in Olivenöl, Nüssen oder Avocados können täglich in kleinen Mengen gegessen werden. Mehrfach ungesättigte Fette darfst du reichlicher konsumieren. Dazu zählen Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren wie in Lein-, Traubenkern- oder Sonnenblumenöl, Chiasamen und fettem Fisch.
Eiweiß
Es gilt als Baustein des Körpers. Ein gesunder Mensch sollte täglich etwa 1 Gramm Eiweiß pro Kilo Körpergewicht zu sich nehmen. Wer viel Sport treibt, darf auch etwas mehr konsumieren, also 1,3 bis 1,5 Gramm Eiweiß pro Kilo Körpergewicht. Eiweißreiche Lebensmittel sind Fisch, Hülsenfrüchte, Kürbiskerne, Eier, Tofu oder mageres Fleisch.
Wichtiger Faktor: Der Sättigungsindex
Sättigung ist extrem wichtig, denn wer ständig Hunger hat, greift öfter auch zu, und dann gern mal zu Ungesundem. 1995 untersuchten australische Wissenschaftler, wie gut bestimmte Nahrungsmittel satt machen und wie lange diese Sättigung anhält. Alle Teilnehmer:innen der Studie aßen eine 240-Kalorien-Portion eines Nahrungsmittels aus einer von 6 Lebensmittelgruppen (Früchte, Backwaren, Frühstücksflocken, Snacks, kohlenhydratreiche und eiweißreiche Lebensmittel). Anschließend fragten die Forscher alle 15 Minuten die empfundene Sättigung ab. Nach 2 Stunden durften sich alle dann an einem Büfett frei bedienen.
Weißbrot erhielt als Referenzwert eine willkürliche Punktzahl von 100. Alle Lebensmittel, die einen höheren Wert erzielten, sättigten stärker als Weißbrot. Interessanterweise erzielten gekochte Kartoffeln, die häufig als Dickmacher bezeichnet werden, den höchsten Sättigungswert. Die Sättigung, die mit einer 240-Kalorien-Portion Kartoffeln erzielt wurde, lag 7-mal höher als die der gleichen Kalorienmenge in Form von Croissants! Ebenfalls einen hohen Sättigungsgrad wies etwa proteinreicher weißer Fisch auf (mehr als doppelt so sättigend wie Weißbrot), auch Bohnen und braune Nudeln lagen fast beim doppelten Weißbrot-Wert. Wichtig für ein lang anhaltendes Sättigungsgefühl sind vor allem Lebensmittel mit einer geringen Energiedichte, die viel Volumen und Gewicht pro Kalorie liefern.
Achte auf den Eiweißhunger!
Das Gleiche gilt auch für Eiweiß. Wissenschaftler der University of Sydney stellten in Studien fest, dass Insekten, wenn sie ihre Nahrung frei wählen können, zunächst den Eiweißhunger stillen und erst dann die übrigen Nährstoffe zuführen. Offensichtlich ticken wir ähnlich wie Grashüpfer – das wiesen die Forscher in einem Experiment nach.
Die Teilnehmer durften sich zunächst einige Tage nach Belieben an einem Büfett mit unterschiedlichen Speisen bedienen, die eiweiß-, kohlenhydrat- oder fettreich waren. Anschließend teilte man die Probanden in 2 Gruppen auf. Eine Hälfte konnte sich an einem Büfett mit eiweißreichen Gerichten bedienen, die andere an einem Kohlenhydratbüfett. Die Auswertung war eindeutig: Wer vom Eiweißbüfett essen musste, nahm fast 40 Prozent weniger Kalorien zu sich als zuvor beim gemischten Büfett. Bei der Kohlenhydratgruppe war es genau andersherum. Sie nahmen über 30 Prozent mehr Kalorien als zuvor zu sich! Die Erklärung: Eiweiße sind besonders wichtige Baustoffe des Körpers, sie werden benötigt, um Muskeln aufzubauen, Enzyme und Hormone herzustellen und Zellwände zu stabilisieren.
Deshalb ist unser Appetit auf Eiweiß am stärksten, und unser Ziel ist es, den Proteinhunger als Erstes zu stillen. Ist das passiert, lässt der Appetit offensichtlich recht schnell nach. Um abzunehmen, ist es deshalb clever, erst mal die Eiweißspeicher zu füllen – am besten schon beim Frühstück. Pflanzliche Proteine sollten dabei bevorzugt werden, denn sie liefern gleichzeitig viele Ballaststoffe sowie ein großes Volumen und haben dadurch einen hohen Sättigungswert. Du solltest täglich mindestens 30 Gramm Ballaststoffe zu dir nehmen.
Unterschätzte Helfer: Ballaststoffe sind nicht nur gesund, sie steigern auch das Sättigungsgefühl.
Der Darm braucht sie, denn sie fördern dessen Tätigkeit und boostern die Abwehrkräfte. Für die bakterielle Vielfalt der Darmflora sind Ballaststoffe unverzichtbar. Pro Tag solltest du 30 Gramm zu dir nehmen. In 100 Gramm der folgenden Lebensmittel stecken so viele Ballaststoffe:
- Mehr als 20 Gramm: Leinsamen, Mohn oder Weizenkleie
- 15 bis 20 Gramm: Erbsen, Kichererbsen, weiße Bohnen, Kidney-Bohnen, Sellerie
- 10 bis 15 Gramm: Linsen, Erdnüsse, Mandeln, Macadamianüsse, Pistazien, Knäckebrot, Artischocken
- 5 bis 10 Gramm: Haselnüsse, Walnüsse, Pumpernickel, Heidelbeeren, Schwarze Johannisbeeren, Himbeeren, Früchtemüsli, Roggen- und Weizenvollkornbrot
- 3 bis 5 Gramm: Brombeeren, Rote Johannisbeeren, Brokkoli, Fenchel, Grünkohl, Möhren, Paprika, Pastinaken, Rosenkohl
Damit eine Diät langfristig funktioniert und kein Jo-Jo-Effekt eintritt, müssen ganz individuelle, unterschiedliche Aspekte berücksichtigt werden. Bei jeder Gewichtsreduktion sollten die Makronährstoffe Kohlenhydrate, Fette und Eiweiße ausreichend Beachtung finden. Vor allem letztere spielen eine besondere Rolle, da der Appetit oft schnell nachlässt, wenn die Eiweißspeicher gefüllt sind. Für ein langanhaltendes Sättigungsgefühl sind zudem Lebensmittel mit einer geringen Energiedichte wichtig, die viel Volumen und Gewicht pro Kalorie liefern.
Erwähnte Quellen:
Holt SH, Miller JC, Petocz P. An insulin index of foods: the insulin demand generated by 1000-kJ portions of common foods. Am J Clin Nutr. 1997 Nov;66(5):1264-76. doi: 10.1093/ajcn/66.5.1264
Raubenheimer D, Senior AM, Mirth C, Cui Z, Hou R, Le Couteur DG, Solon-Biet SM, Léopold P, Simpson SJ. An integrative approach to dietary balance across the life course. iScience. 2022 Apr 28;25(5):104315. doi: 10.1016/j.isci.2022.104315